Faszination Afrika

29. Juli 2025

Das traditionsreiche Fach Afrikanistik trifft im Bachelorstudiengang "Afrikanische Sprachen, Medien und Kommunikation" der Universitäten Mainz und Frankfurt auf interdisziplinäre Vielfalt. Das kooperative Studienangebot im Rahmen der Rhein-Main-Universitäten ist eine Erfolgsgeschichte mit Strahlkraft weit über die Region hinaus.

Afrika – das sind 54 Länder mit rund 1,4 Milliarden Menschen und einer beeindruckenden kulturellen Vielfalt, mit über 3.000 ethnischen Gruppen und mehr als 2.000 lebendigen Sprachen. Vom Maghreb bis zum südlichen Afrika pflegen die Menschen einzigartige kulturelle Traditionen und Rituale, Ausdrucksformen und Erzählweisen, Musikstile und Tänze – zum Teil trotz kolonialer Unterdrückung über Jahrhunderte bewahrt. Einen besonders vielseitigen Zugang zu diesem Reichtum an Sprachen und Kulturen des Kontinents bietet der Bachelorstudiengang "Afrikanische Sprachen, Medien und Kommunikation", kurz ASMeK – ein gemeinsames Angebot der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Rahmen der Kooperation Afrikaforschung Rhein-Main zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt. Seit 2016 bündelt der hochgradig interdisziplinäre Verbund die Expertise und Kompetenzen der drei Universitäten im Bereich der Afrikaforschung innerhalb der strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU), mit dem Frankfurter Zentrum für Interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF) als Dreh- und Angelpunkt der Kooperation.


(v.l.) Prof. Dr. Axel Fanego Palat von der Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Dr. Nico Nassenstein von der JGU (Foto: Peter Thomas)
(v.l.) Prof. Dr. Axel Fanego Palat von der Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Dr. Nico Nassenstein von der JGU (Foto: Peter Thomas)

Prof. Dr. Nico Nassenstein von der JGU und Prof. Dr. Axel Fanego Palat von der Goethe-Universität in Frankfurt haben den Bachelorstudiengang "Afrikanische Sprachen, Medien und Kommunikation" vor einigen Jahren gemeinsam konzipiert – und koordinieren ihn auch gemeinsam. Seit dem Start zum Wintersemester 2021/2022 schreiben sich jährlich rund 70 junge Menschen für den stark interdisziplinär angelegten Studiengang ein, der sich durch eine in Deutschland einzigartige Verbindung von Afrikanistik mit medien- und kommunikationswissenschaftlichen Inhalten auszeichnet. Damit qualifiziert ASMeK seine Absolventinnen und Absolventen für ganz verschiedene Berufsfelder.

Zum Studium gehört das Erlernen mindestens einer afrikanischen Sprache, hinzu kommt eine zweite afrikanische oder eine afrikarelevante Sprache – neben aktuellen Fragestellungen und Forschungen und auch der Auseinandersetzung mit der Fachgeschichte. Diese historische Tiefe ist beachtlich. In Mainz beispielsweise reicht die Geschichte des Instituts für Afrikanistik bis ins Jahr 1946 zurück, also bis in die Zeit der Wiedergründung der Universität nach dem Zweiten Weltkrieg.

Projekt mit großer Strahlkraft

"Wir hatten 2021 die großartige Chance, eben diesen Fokus im Fach setzen zu können und durch den gemeinsamen Studiengang die Strahlkraft der Afrikanistik im Rhein-Main-Gebiet weit über unsere Region hinaus zu stärken", berichtet Prof. Dr. Nico Nassenstein, der 2017 zunächst als Juniorprofessor an die JGU kam und schließlich 2023 auf eine Lebenszeitprofessur am Mainzer Institut für Ethnologie und Afrikastudien (ifeas) berufen wurde. Die Weichen für seine heutige Tätigkeit stellte der Linguist sogar schon vor Studienbeginn: Nassenstein leistete seinen Zivildienst in der Demokratischen Republik Kongo und lernte in den 15 Monaten vor Ort nicht nur zwei lokale Sprachen, sondern begeisterte sich auch für die Menschen und die Kultur der Region. "Im Afrikanistikstudium in Köln merkte ich später, dass ich aus dieser Zeit tatsächlich viel mehr mitgebracht hatte als Sprachkompetenz", erinnert sich der Wissenschaftler.


Prof. Dr. Nico Nassenstein ist seit 2023 Professor für Afrikanistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er arbeitet vor allem im Bereich der Anthropologischen Linguistik, der Soziolinguistik und Pragmatik zu Sprachen in Zentralafrika und Ostafrika. (Foto: Peter Thomas)
Prof. Dr. Nico Nassenstein ist seit 2023 Professor für Afrikanistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er arbeitet vor allem im Bereich der Anthropologischen Linguistik, der Soziolinguistik und Pragmatik zu Sprachen in Zentralafrika und Ostafrika. (Foto: Peter Thomas)

Prof. Dr. Axel Fanego Palat wurde 2018 an die Goethe-Universität Frankfurt am Main berufen. Auch er war schon in seiner Schulzeit von Sprachen fasziniert: "Die 1980er-Jahre waren ein Zeitraum, in dem Afrika noch stärker als heute populärkulturell wahrgenommen wurde und auch auf der Landkarte der allgemeinen Wahrnehmung stark verortet war." Das führte ihn zu einem entsprechenden Studium in Köln, später ging Fanego Palat nach Lissabon, was sein Interesse für Angola stärkte. Weitere Stationen waren unter anderem Kalifornien, Helsinki und natürlich immer wieder Länder Afrikas.

Bei Aufenthalten in afrikanischen Ländern zu forschen und Erfahrungen sammeln – das zieht sich als Konstante durch die Biografie der beiden Wissenschaftler. Nico Nassenstein zum Beispiel war nach seinem Zivildienst im Kongo auch in Uganda, Ruanda und Burundi unterwegs. Für seine Dissertation beschäftigte er sich mit einer Varietät des Kinyarwanda in Südwestuganda, mit Fokus auf sprachlicher Variation entlang zentralafrikanischer Grenzen.

Chance für die Afrikanistik

Nassenstein und Fanego Palat verstehen die Gründung des RMU-Kooperationsstudiengangs ASMeK als erfolgreich genutzte Chance, um die Afrikanistik an beiden Universitäten gemeinsam neu aufzustellen. Denn nach der Neuordnung der Studiengänge im Zuge der Bologna-Reform war es für die Disziplin – wie für viele andere kleinere Fächer auch – sinnvoll, Kooperationen innerhalb der eigenen Hochschule oder eben im regionalen Verbund einzugehen. Die Partnerschaft der Rhein-Main-Universitäten habe sich hier absolut bewährt, sind sich die Professoren von Rhein und Main einig. Das gelte fachlich wie räumlich. "Wir haben in jeder Hinsicht einen guten, kurzen Draht zueinander", betont Nassenstein.

Und die Zusammenarbeit in der Lehre kommt natürlich auch der Forschung zugute. Derzeit läuft zum Beispiel ein Projekt in Angola, das Fanego Palat und Nassenstein gemeinsam mit zwei Kollegen aus Mainz und São Paulo entwickelt haben. Dabei geht es um die Sprachenvielfalt in Angola mit Schwerpunkt auf der Verankerung des Portugiesischen und dem Verschwinden afrikanischer Sprachen. "In Angola ist das Portugiesische als europäische Sprache schon lange verortet", erklärt Fanego Palat. "Der koloniale Kontakt war intensiv, auch durch eine enge Anbindung bereits im 19. Jahrhundert an Brasilien. Die Dynamik, mit der afrikanische Sprachen verschwinden, ist heute rasant. Selbst für die nicht ganz kleinen Sprachen sehen wir dort eine Entwicklung, die wir zum Beispiel aus Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg für das Niederdeutsche kennen."


Prof. Dr. Axel Fanego Palat ist seit 2018 Professor für Afrikanistik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sein Interesse gilt den Sprachgruppen des afrikanischen Kontinents, von Bantusprachen in Südafrika bis zum Tamazight in Marokko. (Foto: Peter Thomas)
Prof. Dr. Axel Fanego Palat ist seit 2018 Professor für Afrikanistik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sein Interesse gilt den Sprachgruppen des afrikanischen Kontinents, von Bantusprachen in Südafrika bis zum Tamazight in Marokko. (Foto: Peter Thomas)

Begeisterung für Sprachen und Wissen

Im Vergleich zu ihrer eigenen Studienzeit – vor der Bologna-Reform – sehen Nassenstein und Fanego Palat deutliche Unterschiede, aber auch wichtige Kontinuitäten im Studium der Afrikanistik. "Bologna hat sicher einiges verändert. Aber das grundsätzliche Interesse an Sprachen und am Wissenserwerb über Afrika ist bei unseren Studierenden heute nach wie vor prägend. Für uns ist es immer interessant zu sehen, womit ASMeK die aktuellen Studierenden begeistert, was ihr intrinsisches Interesse ist", so Nassenstein.

Dass die beiden Professuren, die Nassenstein und Fanego Panat heute innehaben, vor einigen Jahren fast zeitgleich neu zu besetzen waren, habe einen großen Bonus für die Afrikaforschung im Rhein-Main-Gebiet ergeben. Die Professuren konnten inhaltlich aufeinander abgestimmt werden, was dem Fach einen wichtigen Schub und eine gemeinsame neue Dynamik gegeben habe. Denn nach der Bologna-Reform habe es in Frankfurt keinen eigenständigen Afrikanistik-Studiengang mehr gegeben, die Studierendenzahlen für das kleine, sprachenorientierte Fach seien gesunken, erinnert sich Prof. Dr. Axel Fanego Palat. "Da haben wir uns vorgenommen, das Ruder herumzureißen. Es war ein guter Moment – für neue Möglichkeiten, neue Themen und neue Ideen." Prof. Dr. Nico Nassenstein bestätigt: "Wir haben dem Fach mit unserem neuen Studiengang eine Kontur gegeben, die es in diesem Zuschnitt so noch nicht in Deutschland gab. Das betrifft insbesondere den Schwerpunkt Medien, für den wir in der Akkreditierung gekämpft haben."

Mit dieser Weichenstellung sind die beiden Professoren heute sehr zufrieden: "Wir haben viele Studierende, die neben dem Studium beim SWR, beim ZDF oder in anderen Medienhäusern arbeiten", berichtet Nassenstein. Wichtig ist für ihn dabei auch die lange Tradition der Beschäftigung mit verschiedensten Medien am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der JGU. Dafür stehen beispielhaft zwei der Sammlungen des Instituts: Das Archiv für die Musik Afrikas (AMA) mit rund 15.000 Tonträgern und die Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen mit Werken in mehr als 90 Sprachen. "Diese Sammlungen sind nahezu einzigartig und werden auch von Gästen aus der ganzen Welt wissenschaftlich genutzt", so Nassenstein.


Das Archiv für die Musik Afrikas (AMA) an der JGU umfasst rund 15.000 Tonträger, die teils bis in die 1940er-Jahre zurückreichen. (Foto: Peter Pulkowski)
Das Archiv für die Musik Afrikas (AMA) an der JGU umfasst rund 15.000 Tonträger, die teils bis in die 1940er-Jahre zurückreichen. (Foto: Peter Pulkowski)

Persönliche Begegnung ist Trumpf

Der Start des gemeinsamen RMU-Bachelorstudiengangs im Wintersemester 2021/2022 fiel direkt in der Spätphase der Coronapandemie. Ein ausgeprägtes Angebot an hybrider Lehre war deshalb wichtig. Entsprechende Formate gibt es bis heute, auch wenn die Wege zwischen Mainz und Frankfurt gar nicht weit sind. "Wir freuen uns natürlich immer, wenn wir Mainzer Studierende in einer Frankfurter Veranstaltung sehen und umgekehrt", lacht Fanego Palat.

Präsenzveranstaltungen sind vor allem bei den Sprachkursen wichtig. "Die Kurse, in denen unsere Studierenden afrikanische Sprachen lernen, haben einen immens hohen Motivationswert", freut sich Nassenstein. Dort arbeite man in einer festen Kohorte über einen vergleichsweise langen Zeitraum zusammen – in der Hauptsprache sind es immerhin zwei Jahre. Die Gruppen treffen sich zweimal wöchentlich, das vermittle ein wertvolles Gefühl von Gemeinschaft. So wie das Fach Afrikanistik in Mainz und Frankfurt insgesamt.

Text: Peter Thomas