Führungskräfte für die Region

24. April 2018

Eines der ältesten und renommiertesten Executive-Master-of-Business-Administration-Programme (EMBA) ist an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zu Hause. Seit 2001 bilden hier Fachleute aus ganz Europa den Führungsnachwuchs für verschiedenste Branchen aus. Dr. Roland Strasheim gehört zu den Absolventen des dritten EMBA-Jahrgangs. Auch nach seinem Abschluss fühlt er sich der Universität als Alumnus eng verbunden.

Er ist Leiter der Hauptabteilung Krankenhaus-Reha-Fahrkosten bei der AOK Hessen und damit Chef von rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an acht Standorten sowie für 2,4 Milliarden Euro Jahresbudget verantwortlich. "Als Führungskraft verstehe ich meine Aufgabe darin, den Kolleginnen und Kollegen den Rahmen zu bieten, in dem sie am besten einen Wertbeitrag für die AOK Hessen geben können", betont Dr. Roland Strasheim. "Oft geht es einfach darum, Kommunikation und Vernetzung herzustellen und als Fragensteller und Dirigent zu agieren", so der 46-Jährige.

Strasheim studierte Medizin in Marburg und promovierte zum Doktor der Medizin. Der Beruf führte ihn nach Hamburg, Los Angeles und San Francicso. Er war Assistent eines Frankfurter Klinikvorstands, als er auf das Executive MBA-Programm der Johannes Gutenberg-Universität Mainz stieß.

"Ich war noch keine Führungskraft, aber ich befand mich auf dem Weg dahin", erinnert er sich. "Im Alltag konnte ich beobachten, wie wichtig es ist, Aufgaben, fachliche Kompetenz und formale Qualifikation in Einklang zu bringen. Und die fachliche Kompetenz besteht für mich aus einem Mix aus Methodenkompetenz und Leadership-Verständnis." Deswegen kam Strasheim 2003 an die JGU. Zwei Jahre lang studierte er hier neben seiner Arbeit, um am Ende den Executive Master of Business Administration abzulegen. Davon will er nun erzählen.

Herausragendes Angebot

"Ich genieße es jedes Mal, wieder an die Uni zu kommen", meint Strasheim. "Es ist spannend zu hören, was aktuell in der Wissenschaft diskutiert wird. Davon bekomme ich im Berufsalltag nicht immer viel mit."

Ihm gegenüber sitzt Prof. Dr. Franz Rothlauf, Professor für Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre im Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der JGU. Als Akademischer Direktor leitet er das EMBA-Programm. "Es ist eines der ältesten und renommiertesten seiner Art in Deutschland", betont er. EMBA Mainz wurde im Jahr 2001 gegründet. "Damals kamen Vertreter der Landesbank, von Boehringer Ingelheim und von Railion auf die Universität zu. Sie meinten: Lasst uns ein gemeinsames Projekt für die Ausbildung des Führungsnachwuchses in unserer Region anschieben. So etwas fehlt hier."

Seinerzeit waren solche Programme dünn gesät, mittlerweile gibt es einige. "Manch eine Universität sieht darin einen Weg, ihre Reputation zu monetarisieren", meint Rothlauf. "Das war bei uns nicht der Fall. Wir wollten vor allem ein herausragendes Angebot zu annehmbaren Kosten auf die Beine stellen."

Anspruchsvolle Klientel

Viele Hochschulen greifen auf eigene Dozentinnen und Dozenten zurück, um ihr EMBA-Programm auszugestalten. Auch das war und ist in Mainz anders: "Wir zehren davon, dass wir campusübergreifend die besten Experten aus allen Teilen Europas holen. Das macht unseren guten Ruf aus", so Rothlauf.

"Diese Lehrkräfte bekommen es nicht mit jungen Studierenden zu tun, die gerade erst ihr Abi gemacht haben, sondern mit Menschen, die voll im Berufsleben stehen", sagt Strasheim. "Hier trifft der Opel-Ingenieur auf die Gesundheitsmanagerin oder den Banker und jeder hat bereits spezifische Erfahrungen im Berufsleben gemacht. Das ist eine anspruchsvolle Klientel, die besondere Dozentinnen und Dozenten braucht. Sie nimmt nicht alles hin, sondern hinterfragt Theorien und will darüber diskutieren."

Das ist der Kern von EMBA Mainz: Die Studierenden bringen ihre berufliche Expertise ein. Sie tauschen sich untereinander aus, wagen den Blick über den Tellerrand ihrer Branche und bekommen zugleich den wissenschaftlichen Hintergrund geliefert. "Am Ende haben sie alle dasselbe Problem", erläutert Rothlauf. "Wie treffe ich die richtige Entscheidung im Unternehmen? Dazu geben wir ihnen das Fachwissen an die Hand. Wir zeigen ihnen die großen Zusammenhänge auf und erklären die relevanten Faktoren, die sie bei einer Entscheidung berücksichtigen müssen. Es geht dabei um Finanzmanagement, um Qualitätskontrolle, um Informatik und vieles mehr."

Große Nachfrage

Damit all das lebendig vermittelt und debattiert werden kann, setzt EMBA Mainz in hohem Maße auf Präsenzveranstaltungen – freitags bis sonntags. "Dieses persönliche Vor-Ort-Sein war für mich das Wertvollste", erinnert sich Strasheim. "Ich hätte auf kein einziges Wochenende verzichten wollen. Es war jedes Mal anstrengend, aber extrem gut." – "Auch das ist ein Kriterium, nach dem wir unsere Lehrenden aussuchen", ergänzt Rothlauf. "Sie müssen die Studierenden über drei Tage hinweg fesseln können. Wir brauchen anwendungsorientierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Lehrende, denen es gelingt, auf hohem Niveau zu unterrichten."

Strasheim hatte bereits Managementkurse verschiedenster Art absolviert. "Die malen oft ein rosa Bild. Danach denken Sie, Sie wissen alles, können alles. Und dann kommen Sie am Montag ins Büro und nichts funktioniert, alles ist völlig anders." Er holt tief Luft: "Genau das passierte hier an der Universität nicht. Uns wurde ein realistisches Bild vermittelt. Dabei ging es auch konkret um unsere Arbeit, um unsere Aufgaben."

Dieses Rezept hat Erfolg: EMBA Mainz nimmt pro Jahrgang rund 30 Studierende auf. "Es gibt immer wesentlich mehr Bewerbungen als Stellen", berichtet Rothlauf. "Im letzten Jahr haben wir wegen des großen Andrangs sogar zwei parallele Studiengänge angeboten."

Auch jenseits des zweijährigen Studiums bleiben die EMBA-Absolventinnen und -Absolventen der JGU verbunden. Strasheim ist ein gutes Beispiel dafür: Regelmäßig lädt EMBA Mainz führende Köpfe aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft ein, die den Ehemaligen in sogenannten "Kamingesprächen" von ihrer Arbeit erzählen. Dort war der AOK-Chef sowohl als Zuhörender als auch als Vortragender schon dabei.

Aktive Alumni-Arbeit

"Die Alumni-Arbeit ist uns wichtig", betont Rothlauf. "Da sind wir im Vergleich zu vielen anderen Fächern sehr weit. EMBA Mainz hat seinen eigenen Alumni-Verein und auch unser Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften ist da sehr aktiv. Der Netzwerkgedanke spielt bei uns eine große Rolle und wir pflegen auch den Kontakt zwischen Wirtschaft und Universität."

Strasheim ist seinen Weg als Führungskraft weitergegangen. Der studierte Arzt mit dem Executive Master of Business Administration war unter anderem Verwaltungsdirektor bei den Agaplesion Frankfurter Diakonie Kliniken, bevor er 2017 als Hauptabteilungsleiter zur AOK Hessen kam.

"Es ist spannend zu sehen, was aus unseren Absolventinnen und Absolventen geworden ist", meint Wirtschaftswissenschaftler Rothlauf mit Blick auf den Mediziner. "Und für mich war das Executive MBA-Studium ein prägendes Element auf dem Weg als Führungskraft und auch persönlich in meinem Leben", betont Strasheim.