Fünf Deutschlandstipendien für Studierende der JGU

21. Januar 2020

Seit Jahren unterhält die Biotest AG aus Dreieich Verbindungen zur Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Unter anderem war das Pharma-Unternehmen am Spitzencluster Ci3 für individualisierte Immunintervention beteiligt. Nun fördert es erstmals fünf Mainzer Studierende über ein Deutschlandstipendium.

Das Engagement ist noch ganz frisch, deswegen freut sich Dr. Jörg Schüttrumpf doppelt über die rege Reaktion der Studierenden aus Mainz. "Wir mailen jetzt schon viel miteinander, auch wenn wir uns persönlich noch gar nicht kennengelernt haben. Sie möchten zum Beispiel wissen, ob es die Möglichkeit gibt, ein Praktikum hier in Dreieich oder bei einer unserer Niederlassungen im Ausland zu absolvieren. Es kam sogar die Anfrage, ob eine Masterarbeit bei uns zu realisieren wäre. Ich hatte nach so kurzer Förderdauer noch nicht mit solch einem Echo gerechnet. Diese jungen Leute wirken auf mich sehr engagiert und neugierig. Sie gehen fragend in die Offensive und das finde ich gut so."

Im Moment bewegt sich viel bei der Biotest AG. Der Arzneimittelhersteller ist im Wachsen und Schüttrumpf begleitet diesen Prozess als Senior Vice President im Bereich Forschung und Entwicklung. Vom Fenster seines Büros lässt sich immerhin ein kleiner Teil jenes Gebäudekomplexes überschauen, der in den letzten Jahrzehnten im hessischen Dreieich entstanden ist: Ein vielstöckiges Parkhaus trägt das Firmenlogo, daneben erstrecken sich Hallen und Fertigungsanlagen. Nicht zu sehen sind der Betriebskindergarten mit seinen 80 Plätzen und vor allem das neue Werk, das bis 2020 für stolze 600 Millionen Euro entstehen soll. "Biotest Next Level" nennt sich dieser mächtige Expansionsschritt.

"Wir entwickeln Medikamente für schwer kranke Menschen"

"In der Öffentlichkeit sind wir nicht so gegenwärtig wie andere Pharmaunternehmen", räumt Schüttrumpf ein. "Das liegt aber einfach daran, dass Sie unsere Produkte nicht in der Apotheke bekommen. Wir entwickeln Medikamente für schwer kranke Menschen und für sehr spezielle Anwendungen."

Die Biotest AG ist auf den Gebieten der Hämatologie, der Immunologie und der Intensivmedizin tätig. Ihre Mittel helfen, wenn die Blutgerinnung nicht funktioniert. Ihre Immunglobuline machen das Abwehrsystem fit – oder leiten es in gewünschte Bahnen, wenn es etwa darum geht, dass eine frisch transplantierte Leber nicht wieder abgestoßen werden soll. "Auch bei schweren bakteriellen Infektionen können wir helfen. In solchen Fällen werden unsere Produkte häufig in Verbindung mit Antibiotika eingesetzt." Multiresistente Keime machten in den letzten Jahren vielfach Schlagzeilen. Die Biotest AG bietet selbst dagegen einiges auf: "Unsere Immunglobuline haben ein sehr breites Wirkungsspektrum und es gibt keine Resistenzen dagegen."

All diese Medikamente werden aus menschlichem Blutplasma gewonnen oder biotechnisch hergestellt. "Gerade das Plasma ist ein hoch ethischer Rohstoff. Wir sind uns da unserer besonderen Verantwortung gegenüber den Spenderinnen und Spendern sehr bewusst", sagt Schüttrumpf, der als Mediziner einst für den Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes tätig war. "Wir wissen, dass wir den bestmöglichen Nutzen aus diesem wertvollen Rohstoff ziehen müssen."

Die Biotest AG ist in 70 Ländern tätig. Sie erzielte 2018 einen Umsatz von rund 400 Millionen Euro und beschäftigt zurzeit weltweit etwa 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Über 1.000 davon arbeiten in Dreieich", erzählt Schüttrumpf. "Forschung, Entwicklung, Produktion und Verwaltung sind hier zentral zusammengefasst." Damit hat das Unternehmen Gewicht, gehört aber nicht zu den großen Pharmakonzernen. "Das hat gerade für unsere Beschäftigten Vorteile: Die Wege sind kurz, jeder kennt sich und jeder bekommt einen umfassenden Einblick in das, was hier passiert. In großen Konzernen gibt es oft hochspezialisierte Abteilungen, wo Sie vom Rest des Unternehmens nichts mitbekommen. Bei uns ist das völlig anders. Die Interaktion ist sehr intensiv."

"Forschung ist einer unserer Schwerpunkte"

Das gilt nicht nur intern, sondern auch in Bezug auf Universitäten und diverse wissenschaftliche Institutionen. "Unsere Ansprechpartner sind schließlich nicht so sehr die Patienten, sondern die Fachleute: Medizinerinnen und Mediziner sowie vor allem Forschende." So entstehen quasi zwangsläufig vielgestaltige Verbindungen zu Universitäten. "Wir bemühen uns immer wieder um wissenschaftliche Kooperationen, besonders in unserer Region. In Mainz waren wir zum Beispiel am Spitzencluster Ci3 für individuelle Immunintervention beteiligt. Die Stadt ist nicht nur wegen ihrer Universität interessant für uns: Dort gibt es eine große Startup-Community im Bereich Biomedizin."

Auch Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten entstehen häufig bei der Biotest AG. "Forschung ist einer unserer Schwerpunkte, entsprechend bieten sich viele interessante wissenschaftliche Fragestellungen. Die Studierenden und ihre universitären Betreuerinnen und Betreuer sind bei uns willkommen, denn auch so entstehen wichtige Netzwerke."

In den Deutschlandstipendien sieht Schüttrumpf eine besonders gute Gelegenheit, die Verknüpfungen mit der JGU zu intensivieren und zu verstetigen. "Diese Stipendien eröffnen Biotest die Chance, unsere Verbundenheit in konkrete Formen zu gießen und dabei den Nachwuchs zu unterstützen." Ihn überzeugt nicht nur die spezielle Form des Stipendiums: Der Stifter gibt pro Studierendem 150 Euro monatlich und der Staat schießt noch mal dieselbe Summe hinzu. "Auch der Auswahlprozess gefällt uns: Alle Studierenden haben nicht nur herausragende fachliche Leistungen erbracht, sondern engagieren sich darüber hinaus sozial oder gesellschaftlich. Und durch das besondere Matching mit den Stiftern bekommen wir Kontakt zu jungen Leuten, die vom Fach her gut zu uns passen."

Junge Menschen sind der Biotest AG wichtig – durchaus auch aus Eigennutz: "Allein mit dem neuen Werk schaffen wir gerade 300 Arbeitsplätze in der Produktion und daran hängt noch ein Rattenschwanz weiterer Stellen etwa im Bereich der Entwicklung und der Qualitätskontrolle. Da brauchen wir engagierten und qualifizierten Nachwuchs", betont Schüttrumpf. "Im Rhein-Main-Gebiet stehen wir in Konkurrenz zu anderen Pharma-Unternehmen, also investieren wir viel in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir ziehen uns unsere Fachkräfte zu einem großen Teil selbst heran."

"Anstöße, die uns weiterbringen"

Ein weiterer Teil könnte von den Hochschulen kommen. "Mit den Deutschlandstipendien machen wir auf uns aufmerksam. Das funktionierte bereits an der Universität Frankfurt und anderswo in der Region sind wir über weitere Projekte eingebunden." Nun also ist auch Mainz mit von der Partie: Fünf Studierende werden von der Biotest AG auf diesem Wege gefördert. "Natürlich ist das unverbindlich. Wir haben kein Problem damit, wenn jemand kein Interesse an einem engeren Kontakt mit uns hat. Aber wir freuen uns dafür umso mehr, wenn es doch passiert."

Tatsächlich zeigen die Mails: Das Interesse der Mainzer Studierenden ist groß. "Wir planen für das nächste Jahr, all unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten nach Dreieich einzuladen", kündigt Schüttrumpf an. "Wir wollen sie besonders mit unseren jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kontakt bringen, damit sie ihnen die Berufsbilder und Karrierewege in der pharmazeutischen Industrie näherbringen." Er selbst freut sich auf den Austausch: "Wir treffen auf jemanden, der mit einem frischen Blick auf unsere Themen zugeht und dabei auch mal nach links und rechts schaut. Das ist eine Bereicherung für uns, auch intellektuell. Das sind Anstöße, die uns weiterbringen."