Hilfe beim Lernen in der Krise

11. November 2020

Die Corona School unterstützt bundesweit Schülerinnen und Schüler in Zeiten der Pandemie: Studierende bieten per Videochat Nachhilfe verschiedensten Umfangs, sie beantworten Fragen zum Unterricht oder begleiten bei den Hausarbeiten. Im März 2020 startete die Initiative, mittlerweile sind mehr als 12.500 Schülerinnen und Schüler sowie 10.000 Studierende mit im Boot. Auch an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist das Engagement groß: Benjamin Pfannes erzählt als "Campus Representative" von den Erfolgen und Plänen der Corona School.

Er arbeitet gern mit Kindern und Jugendlichen. Ihnen etwas beizubringen, ihnen zu helfen, macht ihm Spaß. "Es ist eine Bereicherung, das habe ich schon mit 17 im Sportverein gemerkt", erzählt Benjamin Pfannes. Und es setzte sich fort, auch während seines Studiums an der JGU. "Anfang April stieß ich in einer Mail der Deutsch-Französischen Hochschule auf die Information, dass Studierende eine Corona School gegründet hatten und dass sie weitere Studierende suchten. Ich dachte sofort: Das ist was für mich."

Lukas Pin von der Universität Bonn hatte im Monat zuvor mit einigen Kommilitoninnen und Kommilitonen die Corona School gestartet, um Schülerinnen und Schülern zu helfen, die in Zeiten von COVID-19 ihre Schwierigkeiten haben: Mit dem Lockdown und der Schließung der Schulen hatte sich plötzlich ungeheuer viel geändert. Unterricht war nur noch auf digitalem Weg möglich. Alle Beteiligten mussten sich von heute auf morgen umstellen. Das gelang mal mehr, mal weniger gut.

Flexible Unterstützung für alle Altersgruppen und Schularten

Die Corona School bietet mit ihrer Internet-Plattform unkompliziert Lernunterstützung an: "Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen und aller Schulformen können sich bei uns melden", erklärt Pfannes. "Es ist auch ganz egal, ob sie nur punktuell oder eher regelmäßig Hilfe brauchen, ob es um Hausaufgabenbegleitung oder um grundsätzliche Verständnisfragen geht. Sie teilen mit, in welchem Fach sie Schwierigkeiten haben, und wir stellen den Kontakt mit einem passenden Studierenden her."

Diese Studierenden wiederum haben sich zuvor auf der Corona-School-Plattform registriert. "Sie wurden von uns zu einem etwa halbstündigen Online-Screening eingeladen, in dem wir zuerst schauen, ob es sich wirklich um Studierende handelt. Das ist auf jeden Fall Bedingung für eine Teilnahme. Dann fragen wir nach ihren Fähigkeiten, nach den Fächern, in denen sie helfen können, und wir überlegen, für welche Jahrgangsstufen sie geeignet sind."

Der Kontakt wird meist per Videochat hergestellt, doch auch das muss nicht unbedingt sein, selbst hier ist die Corona School flexibel: "Manche Kinder fühlen sich am wohlsten, wenn sie einfach nur telefonieren. Auch das ist in Ordnung." Die Studierenden arbeiten ehrenamtlich, für die Kinder und Jugendlichen ist die Teilnahme kostenlos.

Pfannes selbst steht im Moment mit drei Schülerinnen und Schülern in Verbindung – mehr oder weniger intensiv. "Eine Schülerin aus Heidelberg ist dabei, deren Eltern aus Indien stammen. Sie sprechen zu Hause viel Indisch. Mit ihr mache ich Sprachübungen oder schreibe Diktate. Am Anfang war sie eher zurückhaltend, aber inzwischen unterhalten wir uns über verschiedenste Themen. Wir chatten ein bis zwei Mal pro Woche. Ein Leipziger Schüler dagegen wollte nur temporär Unterstützung. Und meiner dritten Mentee ging es darum, Hilfe für die Vorbereitung auf zwei konkrete Arbeiten zu bekommen. Von ihr habe ich nun schon eine Weile nichts mehr gehört."

Zertifiziertes Praktikum in digitalem Unterricht

Zwar wachsen Schülerinnen und Schüler heute in einer von digitalen Medien geprägten Welt auf, doch Pfannes hat in den vergangenen Monaten festgestellt: "Die Kids sind oft überfordert, wenn es darum geht, diese Medien für den Unterricht oder die Nachhilfe einzusetzen. Sie haben zwar ihr Handy oder spielen am Computer, doch bei unseren Videochats ist es zumindest am Anfang häufig so, dass die Eltern den PC einstellen. Wenn sich etwas Positives aus der Krise ziehen lässt, dann ist es sicherlich auch die Tatsache, dass Kinder und Eltern sich allmählich besser in der digitalen Welt zurechtfinden und sie zielgerichteter nutzen. Ich hoffe, das geht auch nach der Pandemie nicht verloren."

Die Corona School entwickelte sich innerhalb weniger Monate zu einer ansehnlichen Bewegung: Aktuell sind mehr als 12.500 Schülerinnen sowie 10.000 Studierende registriert. "An der JGU allein sind es etwas mehr als 200", erzählt Pfannes, der als Repräsentant der Initiative deren Aktivitäten an der JGU koordiniert und voranbringt. "Wir sind überdurchschnittlich vertreten." Rheinland-Pfalz war zudem das erste Bundesland, das der Initiative Unterstützung zusagte, Bildungsministerin Stefanie Hubig betonte dies bei einem Fernsehtermin mit Pfannes. "Das hat uns natürlich gefreut, auch weil uns solche Auftritte bekannter machen – und Aufmerksamkeit kann das Projekt gar nicht genug bekommen."

Tatsächlich fällt das Echo auf die Corona School auf vielen Ebenen positiv aus: "An der JGU renne ich eigentlich nur offene Türen ein", erzählt Pfannes von seinen Erfahrungen. "Mittlerweile gibt es die Möglichkeit, dass Studierende ihr Engagement als Pflichtpraktikum im digitalen Unterricht anerkennen lassen können." Mit dem Lockdown wurde es schwieriger, ein Schulpraktikum zu absolvieren, auch wenn die zuständigen Institutionen einiges anboten. "Auch wir konnten hier helfen. Die Corona School-Praktika werden mittlerweile in mehreren Bundesländern akzeptiert. Sie finden je nach Vereinbarung mit einer Mentorin oder einem Mentor und als 1:1-Lernbetreuung oder in Gruppen mit sechs Schülerinnen und Schülern statt."

Doch das ist nur eine Facette der Corona School. "Grundsätzlich muss niemand auf Lehramt studieren, um dabei zu sein", stellt Pfannes klar. Er selbst belegte einen binationalen Mainz-Dijon-Masterstudiengang in Neuerer und Neuester Geschichte an der JGU. Jüngst erst verteidigte er seine Abschlussarbeit zu französischen Kollaborateuren in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs. "Im Moment schaue ich mich nach einer Promotion um." Für die Corona School wird er sich weiterhin engagieren. "Das kann ich mit meinem Laptop problemlos von jedem Ort und die Kids können in jeder beliebigen Stadt sitzen. Das ist einer der Vorteile der Corona School."

Corona School wächst weiter, alle Studierenden willkommen

Auch die Corona School wird weiter bestehen, selbst über Corona hinaus. Mit dem Ende des Lockdowns flaute die Nachfrage nicht ab – im Gegenteil: "Wir haben sogar einige Kinder und Jugendliche in der Warteschleife, denn es ist zum Beispiel schwer, für Fächer wie Latein oder Griechisch gleich passende Studierende zu finden. Wir sind also für jede helfende Hand dankbar."

Im Moment werden Materialien für Studierende erstellt, um sie vor allem in didaktischer Hinsicht zu unterstützen. "Wir wollen außerdem den Kontakt zu Schulen intensivieren. Im Moment ist es so, dass meist die Eltern ihre Kids bei uns anmelden, aber auch mehr und mehr Lehrerinnen und Lehrer empfehlen uns. In diese Richtung wollen wir arbeiten, um insbesondere auch Schülerinnen und Schüler aus sozial schwächerem Umfeld zu erreichen."

Für sich selbst betont Pfannes gar nicht so sehr die Rolle des Helfers oder Wohltäters. Er schlägt andere Töne an: "Ich profitiere sehr von der Corona School. Neulich erst hat mir meine Mentee aus Heidelberg eine Mail geschickt, sich darin aus heiterem Himmel bedankt und mir alles Gute gewünscht. Sie erzählte mir, dass sie an diesem Tag in Indien den Weltlehrertag feiern und dass Lehrerinnen und Lehrer dort eine ganz andere Wertschätzung erleben als bei uns. Schon solch ein kleiner kultureller Austausch ist ein großer Gewinn. Ich bin dafür sehr dankbar."