4. Dezember 2025
Das Gutenberg-Museum präsentiert derzeit in Kooperation mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine ungewöhnliche Sonderausstellung zu Buchdruckerzeichen des 15. bis 18. Jahrhunderts, den frühen Vorläufern heutiger Verlagslogos. Den Anstoß dazu gab Prof. Dr. Hui Luan Tran von der Abteilung Kunstgeschichte der JGU, deren Studierende in einem Seminar der tieferen Bedeutung der Druckersignets nachspürten. Fürs JGU-Magazin konnten wir die Ausstellung noch vor der Eröffnung besuchen.
Noch steht nicht alles. An der Beleuchtung einiger Vitrinen wird gerade gefeilt, hier und da fehlen Beschriftungen. Doch wer den Saal betritt, sieht sich bereits dem Titel der Ausstellung gegenüber: "Ich drucke!" steht in großen Lettern zu lesen – und darunter: "Signet, Marke und Druckerzeichen seit dem Zeitalter Gutenbergs".

"Es war uns wichtig, die Besucherinnen und Besucher gleich zu Beginn mit dieser Aussage zu begrüßen", betont Prof. Dr. Hui Luan Tran. "Sie hebt das wachsende Selbstbewusstsein eines sich zur damaligen Zeit gerade erst formierenden Berufszweigs hervor. Ab dem 15. Jahrhundert tritt das Druckhandwerk zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit. Gutenberg selbst orientierte sich noch an zeitgenössischen Handschriften, in denen der Name des Schreibers oder das Datum nur im seltensten Fall genannt wurden. Doch seine Nachfolger kennzeichnen klar, welches Buch aus ihrer Werkstatt stammt. Sie setzen ihr Signet als Visitenkarte ein, als Empfehlung und Werbung."
Premiere: Gutenberg-Museum MOVED
Gemeinsam mit Dr. Nino Nanobashvili vom Gutenberg-Museum Mainz hat Tran die Ausstellung zu Druckerzeichen aus drei Jahrhunderten ins Leben gerufen. "Von Hui Lan Tran kam die erste Idee", erzählt Nanobashvili. "Ich war sofort begeistert. Die umfangreiche Sammlung an Druckerzeichen im Gutenberg-Museum, die wir hier nun erstmals zeigen, stammt von dem Frankfurter Drucker und Druckforscher Gustav Mori." Auch ihm ist ein Kapitel der Schau gewidmet.

Dies ist die erste Sonderausstellung im Ausweichquartier des Gutenberg-Museums: Während am ursprünglichen Standort gegenüber dem Dom der Neubau entsteht, ist das Museum unter dem Motto "Gutenberg-Museum MOVED" vorübergehend in die Räumlichkeiten des Naturhistorischen Museums in der Mainzer Altstadt gezogen. Für die beiden Kuratorinnen war das Chance und Herausforderung zugleich. "Die alten gotischen Fenster der ehemaligen Klosterkirche des Reichklaraordens verleihen diesem Raum eine ganz besondere Atmosphäre", so Nanobashvili. "Doch da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, durften wir nicht bohren oder gar die Wandfarbe ändern. Gemeinsam mit den Ausstellungsgestaltern Bach Dolder aus Darmstadt haben jedoch wir eine geeignete Präsentation entwickelt."
Druckerzeichen sind die Vorfahren heutiger Verlagslogos. "Die ganz frühen Exemplare finden sich zwar auch schon mal am Ende eines Buches, doch meist haben sie ihren Platz dort, wo wir in modernen Büchern das Impressum finden: auf der Titelseite", erklärt Tran. Es sind raffiniert gestaltete kleine Kunstwerke. "Die Drucker wollten damit nicht nur demonstrieren, wie gut sie ihr Handwerk beherrschen, sie wollten zeigen, dass sie kompetent und gebildet sind, eventuell auch, dass sie einem bestimmten – dem jeweils richtigen – Glauben angehören." Solch eine Selbstdarstellung war im 15. Jahrhundert für Adelige oder das hohe Bürgertum gängig, für einen Berufsstand aber alles andere als selbstverständlich. Entsprechend sind Druckerzeichen als Ausdruck von Selbstbewusstsein zu verstehen.
Druckerzeichen als intellektuelles Spiel
Die Ausstellung führt in zehn Kapiteln von den technischen Grundlagen der Druckerzeichen zu ihren ersten Repräsentanten besonders in Frankfurt, zu großen Verlagshäusern in Venedig, Basel und Antwerpen. Sie erzählt aber auch von wiederkehrenden Motiven wie dem Feuersalamander – und von dem geradezu detektivischen Eifer, mit der die beiden Kuratorinnen der Bedeutung und der Bilderwelt der Signets in der Vorbereitung der Ausstellung nachgespürt haben.

"Wir kennen Druckerzeichen, die schlicht und einfach den Namen eines Druckers grafisch umsetzen, ähnlich wie bei manchen Verlagslogos von heute", so Tran. Weigand Han etwa verwendet 1578 in einem Allianzsignet einen Hahn als Markenzeichen. Aber es finden sich eben auch entschieden rätselhaftere Darstellungen. Das Signet von Erhard Ratdolt aus dem Jahr 1490 zeigt einen nackten Mann auf rotem Wappen, der in der Rechten zwei Schlangen hält. "Wegen des Merkurstabs mit den Schlangen lässt sich der Mann als Gott des Handels und der Künstler identifizieren. Das passt zum Thema Buchdruck. Dann ist aber auffällig, dass die Flügel an seinen Fußgelenken fehlen. Damit ist auch dieses Druckerzeichen wie viele andere doppeldeutig und spielt mit dem Wissenshorizont der Betrachtenden."
Im Wintersemester 2024/2025 hatte Tran das Seminar "Kleine Bilder im Fokus" an der JGU angeboten: Studierende der Kunstgeschichte entschlüsselten in sorgfältiger Detailarbeit eine Reihe von Druckerzeichen, das Mainzer Gutenberg-Museum stellte dafür Exponate aus der Mori-Sammlung zur Verfügung. "Die Erkenntnisse der Studierenden werden in der Sonderausstellung in mit Sternchen gekennzeichneten Objekttexten präsentiert", berichtet Tran. Ein Signet beispielsweise zeigt auf den ersten Blick den Heiligen Georg, der den Drachen tötet. "Doch einem Studenten fiel auf, dass der angebliche Drache doch eher hybride Momente aufwies. Auch Georgs Pferd wirkte merkwürdig. Am Ende deckte der Student eine weitere Bedeutungsebene auf: Auf den ersten Blick ein Heiliger, handelt es sich bei näherer Betrachtung doch tatsächlich um den Helden Bellerophon, der eine Chimäre tötet, mit dem fliegenden Pferd Pegasos."
Aufwendig gestalteter Begleitband
Buchdruckerzeichen tauchen immer mal wieder in der Fachliteratur auf, auch bei Ausstellungen sind sie vereinzelt vertreten. "Doch es fehlt eine umfassende Darstellung. Länderübergreifend hat sich einzig Prof. Dr. Anja Wolkenhauer in Tübingen damit beschäftigt", so Nanobashvili. Die Mainzer Sonderausstellung "Ich drucke! Signet, Marke und Druckerzeichen seit dem Zeitalter Gutenbergs" schließt hier zumindest ansatzweise eine Lücke. Zudem haben die beiden Kuratorinnen einen aufwendig gestalteten Begleitband herausgegeben, der vertiefende Einblicke in ausgewählte Themen bietet.

"Mit der Ausstellung holen wir die Menschen bei einem Thema ab, das jedem etwas sagt", so Tran. "Wir alle kennen die Logos von Verlagen wie Fischer und Co. Von dort führen wir in die Vergangenheit. Wir laden dazu ein, die Geschichten hinter den Druckerzeichen kennenzulernen und so in die Welt des Buches einzutauchen, was unsere Besucherinnen und Besucher hoffentlich genauso fasziniert wie uns."
Text: Gerd Blase
