Im apollo begegnen sich Kunst und Gesellschaft

28. Februar 2025

Die Kunsthochschule Mainz bekommt im Ollohof in der Mainzer Innenstadt einen festen Ausstellungsraum: apollo soll als frei einsehbares Kunst-Schaufenster dienen. Zur Eröffnung stellt Bildhauerin Nancy Lupo ihre Installation "Our Villas" vor. Darüber hinaus gibt es Pläne, im Ollohof einen Kulturcampus mit Kunsthochschul-Dependance zu schaffen.

"Bisher hatten wir im Unterschied zu anderen Kunsthochschulen keinen festen Ausstellungsraum", erzählt Dr. Martin Henatsch. "Mit apollo ändert sich das. Hier, mitten in der Mainzer Neustadt, konnten wir eine Stätte schaffen, in der sich Kunst und Öffentlichkeit begegnen. Hier eröffnet sich die Möglichkeit für niedrigschwelligen Austausch. apollo ist konzipiert als Schaufenster, wie eine Vitrine. Wer vorbeikommt, kann reinschauen und Kunst direkt erleben. Das ist uns wichtig, denn Kunst funktioniert nur, wenn sie wahrgenommen wird."


Der neue Ausstellungsraum apollo im Ollohof in der Mainzer Neustadt (Foto: Stefan F. Sämmer)
Der neue Ausstellungsraum apollo im Ollohof in der Mainzer Neustadt (Foto: Stefan F. Sämmer)

Der Rektor der Kunsthochschule Mainz steht im Hinterhof der Boppstraße 42, dem sogenannten Ollohof. Alte Backsteinwände ragen neben Garagentoren auf. Graffiti schmückt die teils verputzten Mauern. Unter bunten Bildern finden sich Slogans wie "Kunst macht süchtig", "Farbe zeigen statt Grenzen ziehen" oder "Imagination is my favorite nation". Das eben erst frisch hergerichtete Gebäude des apollo fällt zwischen alledem sofort ins Auge: Hinter bodentiefen Fenstern ist die raumgreifende Installation "Our Villas" von Nancy Lupo zu sehen. Die renommierte, in den USA geborene und in Berlin lebende Künstlerin kam als Vertretungsprofessorin nach Mainz. Ab dem Sommersemester 2025 wird sie fest an der hiesigen Kunsthochschule lehren. Prominent eröffnet sie den Ausstellungsreigen im apollo.


Dr. Martin Henatsch, Direktor der Kunsthochschule Mainz (Foto: Stefan F. Sämmer)
Dr. Martin Henatsch, Rektor der Kunsthochschule Mainz (Foto: Stefan F. Sämmer)

Vom Autoverleih zum Kulturcampus

1895 erbaut, diente der Ollohof zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eine der ersten Autoverleihfirmen Deutschlands. Über den Garagenfronten der drei Hofgebäude wurden unter anderem Schauflächen für die Mietwagen eingerichtet. Ein großer Lastenaufzug führt dort hinauf. Zur Straße hin schließt sich ein Wohngebäude an, das bis heute als solches genutzt wird. Der Hof selbst allerdings stand seit Schließung des Autoverleihs in den 1970er-Jahren größtenteils leer. 2023 siedelte sich in einigen der Räume eine Offene Werkstatt an – und im selben Jahr gastierte die Kunsthochschule Mainz mit einer ersten Ausstellung im Ollohof.

Die Mainzer Architekten Jochen Schraut und Axel Rentschler hatten das Anwesen eben erst erworben und schmiedeten große Pläne für den markanten, doch leider halb vergessenen Ort: Gemeinsam mit Dr. Martin Henatsch entwickelten sie die Idee eines Kulturcampus, eines Treffpunkts für Künstler*innen, Kunstinteressierte und die städtische Öffentlichkeit.

"Ohne die beiden hätten wir apollo nie verwirklichen können", meint Henatsch, während er im Vordergebäude bei Schraut klingelt, um sich einen Schlüssel für den Ausstellungsraum zu holen. "Bessere Partner hätte ich mir überhaupt nicht vorstellen können."


Architekt Jochen Schraut (l.) und Dr. Martin Henatsch (r.) im Austausch zum neuen Ausstellungsraum apollo (Foto: Stefan F. Sämmer)
Architekt Jochen Schraut (l.) und Dr. Martin Henatsch (r.) im Austausch zum neuen Ausstellungsraum apollo (Foto: Stefan F. Sämmer)

Ollohof nimmt Gestalt an

Schraut wiederum gibt nicht nur den Schlüssel heraus, er bietet auch gleich eine Führung durch den Gebäudekomplex an. "Der Bebauungsplan der Stadt erlaubt im Parterre des Ollohof eine kulturelle Nutzung", erzählt der Architekt. "Ab dem ersten Stockwerk aber schreibt er Wohnbebauung vor." Das sei im Vorderhaus auch völlig in Ordnung. "Doch die Gebäudesubstanz im Hinterhof eignet sich schlicht nicht für Wohnungen." Über eine dunkle Treppe geht es in die einstigen Automobil-Schauräume: Große Fenster geben den Blick frei auf den Innenhof, auf apollo. "Fenster sind nur hier möglich, zur anderen Seite hin grenzen direkt Gebäude an", so Schraut. "Ein Unding für Wohnbebauung."

"Als Ateliers für unsere Studierenden allerdings wären diese Räume hervorragend geeignet", so Henatsch. "Hier könnten wir drei Klassen der Kunsthochschule ansiedeln." Das wäre ein bedeutender Schritt hin zum angepeilten Kulturcampus. Doch noch steht der Bebauungsplan dem entgegen.

Klar ist mittlerweile, dass neben dem apollo Gastronomie in die einstigen Garagen ziehen wird. "Wir werden außerdem zwei große Bäume in den Hof pflanzen", kündigt Schraut an. "Zudem überlegen wir, einen Durchbruch zum Nachbargrundstück jenseits der Offenen Werkstatt zu schaffen, um noch mehr Raum für weitere Projekte zu gewinnen. Mainz hat nun wirklich kein Überangebot an solchen Kulturorten. Wir bieten an, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, ohne die Stadt finanziell zu belasten." Kunst, Bildung, Soziales – das Architektenduo Jochen Schraut und Axel Rentschler kann sich vieles vorstellen für den Kulturcampus Ollohof.

Großer Bahnhof zur Eröffnung

Rund 200 Besucher*innen kamen am 21. Januar 2025 zur Eröffnungsausstellung im apollo, darunter auch Ministerialdirektorin Katharina Heil und JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch. "Das war 'großer Bahnhof', wie wir ihn noch nie hatten", erinnert sich Henatsch. Der Ausstellungsraum war innerhalb kürzester Zeit realisiert worden. "Erst im Oktober 2024 kam die Genehmigung, davor hatten wir viel Überzeugungsarbeit geleistet und konnten auch das Präsidium der Universität für unser Vorhaben begeistern. Für mich ist klar: So eine Chance bekommen wir nicht wieder. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, kriegen wir nie einen vergleichbaren Raum."

apollo hat neben der eigentlichen Ausstellungsfläche im Parterre noch einen großen Kellerraum zu bieten. Am Ende eines Treppenabgangs, wo einst Öltanks in verwinkelten Kammern rosteten, öffnet sich nun ein großzügiger Saal: "Hier sollen verschiedenste Veranstaltungsformate möglich sein – von Lehrveranstaltungen bis hin zu öffentlichen Vorführungen, Vorträgen oder Diskussionen. Wir werden auch eine Projektionswand und einen hochwertigen Beamer anschaffen, um Filme zeigen zu können."

Der Ausstellungsraum selbst ist als 'white cube' in schlichtem Weiß gehalten. Noch sind nicht alle Arbeiten abgeschlossen. Wo einmal Steckdosen sein werden, klaffen derzeit noch Löcher im Putz. "Als Nancy Lupo das sah, meinte sie sofort, wir sollen für ihre Installation alles genau so lassen", erzählt Henatsch. Für 'Our Villas' schien der Künstlerin das Baustellenambiente geradezu optimal.

Widerborstiges Kunstwerk

"Alles, was ich sehe, sehe ich als Skulptur", hat Nancy Lupo einmal zu ihrer künstlerischen Grundauffassung gesagt. Es ist ihre Vorstellung, dass Skulptur als magische Idee immer mit etwas innerhalb der Welt verbunden ist. Diese Durchdringung von Kunst und Alltag führt sie nun auch zur Eröffnungsarbeit im apollo, der ersten Einzelausstellung der weltweit renommierten Künstlerin in Deutschland. Als sie im Sommer 2024 in Athen war, sah sie, wie das Nachbarhaus abgerissen wurde. Sie entschied sich, den Parkettboden, der dort herausgerissen wurde, als skulpturale Elemente für eine Installation nach Mainz zu schicken: eine humorvoll installative Annäherung an einen Raum in Veränderung, der noch wenige Wochen vor der Eröffnung Baustelle war. Eines Tages stand also ein Laster mit zwei Tonnen Eichenparkett im Ollohof. Für Nancy Lupo ist eine Skulptur etwas, das immer schon im Material vorhanden ist. Sie muss es nur aufdecken. Im apollo verlegte sie das Parkett andersherum: Nägel ragen aus dem Holz empor, von der Künstlerin rötlich lackiert. Am Rande des Raums stehen Baustoffsäcke. Ein Ventilator, der den frisch verputzten Raum trocknen soll, hat Papierstücke mit der Aufschrift "Welcome" verweht.


Ausschnitt der Installation "Our Villas" der Bildhauerin Nancy Lupo im apollo (Foto: Stefan F. Sämmer)
Ausschnitt der Installation "Our Villas" der Bildhauerin Nancy Lupo im apollo (Foto: Stefan F. Sämmer)

Henatsch sieht in Lupos Installation "Our Villas" etwas Vorübergehendes, etwas Verheißungsvolles. "Der Begriff 'Villa' steht sowohl für luxuriöses Wohnen, als auch für Sehnsüchte, für unerfüllte, vielleicht unerfüllbare Wünsche", so der Rektor der Kunsthochschule Mainz. Und Nancy Lupo ergänzt: "Für mich geht es in der Kunst nicht um Antworten oder Lösungen, sondern darum, sich mit Fragen, Problemen und Unklarheiten auseinanderzusetzen." Es sei durchaus in Ordnung, wenn man nichts wisse. Das sei eigentlich die Realität. Entsprechend charakterisiert Henatsch das Werk der Künstlerin als widerständig, offen und ambivalent: "So etwas passt zu unserem Haus. Wir wollen auf sinnlicher Ebene Fragen stellen – und so mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten."

"Wir freuen uns sehr, dass wir Nancy Lupo für unsere Kunsthochschule gewinnen konnten", betont Henatsch. "Sie ist eine weltweit anerkannte Künstlerin, die in vielen großen Museen von Mexico-City über Paris und Wien bis nach New York oder Los Angeles ausstellt. Nun können wir ihre Arbeit in Mainz zeigen. 'Our Villas' ist ein idealer Start für apollo."

Fünf weitere Ausstellungen sind für das Jahr 2025 geplant. "Eine Jury entscheidet, wer ausstellen darf." In erster Linie sind die Studierenden der Kunsthochschule angesprochen. "Sie können sich dafür mit einer Mappe bewerben. Ein Honorar gibt es nicht, aber ein Produktions-Budget steht bereit. Zukünftig werden wir jeweils zu Beginn des Jahres das apollo-Programm bekannt geben und damit auch eine neue Ausstellungsinstitution für zeitgenössische Kunst in Mainz schaffen."

Text: Gerd Blase