14. Dezember 2018
Der Dritte Engagementbericht der Bundesregierung widmet sich dem Engagement junger Menschen im digitalen Zeitalter. Eine neunköpfige Sachverständigenkommission soll Analysen und Empfehlungen zu diesem hoch aktuellen Themenkomplex ausarbeiten. Mit von der Partie ist Juniorprof. Dr. Sascha Dickel vom Institut für Soziologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).
"Ich bekam einen Anruf vom Familienministerium, ob ich mitmachen will", erzählt Sascha Dickel. "Ich war erst mal überrascht, habe dann aber spontan zugesagt, ohne genau zu wissen, was da auf mich zukommen würde", meint er lächelnd. So kam der Juniorprofessor vom Institut für Soziologie der JGU als jüngstes Mitglied in die Sachverständigenkommission, die den Dritten Engagementbericht der Bundesregierung erarbeiten wird.
Unter dem Titel "Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter" sollen neun Fachleute aus Politik- und Kommunikationswissenschaft, Wirtschafts-, Bildungs- und Erziehungswissenschaft, Designforschung, Sozialpädagogik und Soziologie Antworten auf eine ganze Reihe von Fragen finden: "Wie kann junges Engagement in einer digitalen Welt befördert werden? Welche Vorteile, aber auch eventuellen Gefährdungen bringen die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters für das Engagement mit sich? Vor welche digitalisierungsbedingten institutionellen und rechtlichen Umbrüche werden die Engagierten und die organisierte Zivilgesellschaft gestellt?"
Fundamentale Umbrüche
Die Bundesregierung wurde vom Deutschen Bundestag dazu verpflichtet, in jeder Legislaturperiode einen solchen Engagementbericht zu einem besonderen Schwerpunkt vorzulegen. Nun also wird die frisch berufene Kommission im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) den Aspekt der Digitalisierung in den Mittelpunkt rücken.
"Ich glaube, wir dürfen gar nicht erst in die Falle tappen, 'digital' als besonderen Raum zu denken", sagt Dickel. "Wir stehen vor fundamentalen Umbrüchen: Nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung ist digital eingebunden. Wenn wir die Möglichkeit haben, bringen wir jeden Tag viele Stunden vor dem Bildschirm oder mit dem Handy zu. Digitalisierung durchdringt alle Bereiche unseres Lebens, ob Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Sport oder Freizeit."
Dickel forscht im Arbeitsbereich Mediensoziologie unter anderem zur digitalen Partizipation. "Mich interessiert besonders, welche Möglichkeiten die digitalen Medien den Menschen bieten, sich an Wissenschaft zu beteiligen." Über Open Access bekommen immer weitere Kreise freien Zugang zu verschiedensten Veröffentlichungen und Materialien.
Interdisziplinäre Kommission
"Der Trend geht nun stark dahin, Laien in die Forschung einzubinden, sie zum Beispiel Daten auswerten zu lassen. Das hat durchaus problematische Momente. Es stellt sich die Frage, in welchen Bereichen die Leute konkret mitmachen dürfen, ohne eine Qualifikation vorzuweisen." Fehlerhafte Arbeit kann schließlich Ergebnisse verfälschen. "Als Lösung sagt man einfach: Gut, lassen wir gleich 2.000 Leute auswerten, dann fallen die Fehler unter den Tisch. Dann allerdings zählt auch die Leistung des einzelnen nicht mehr viel. Die Masse bestimmt, die Menschen werden zu Datenknechten."
Bereits dieser skizzenhafte Einblick in Dickels Arbeit lässt ahnen, welche Aspekte der junge Soziologe in den Engagementbericht einbringen könnte. "Unsere Kommission ist sehr interdisziplinär", sagt er mit Blick auf seine Kolleginnen und Kollegen. "Wir schauen aus sehr unterschiedlichen Positionen auf das Thema. Wir sind breit aufgestellt und decken sehr viele Bereiche mit unseren Expertisen ab. Ich habe den Eindruck, im Ministerium wurde genau geschaut, wer etwas Sinnvolles beizutragen hat."
Dickel selbst sind zwei Punkte besonders wichtig: "Auf der einen Seite hat sich die Anzahl derer vergrößert, die mit der Konstruktion der Realität zu tun haben. Es ist nicht mehr ein kleiner Kreis, sondern wir arbeiten über die modernen Medien alle irgendwie daran mit. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir vieles von dem, was im digitalen Bereich läuft, sehr schlecht durchschauen. Man könnte zwar sagen, dass wir auch früher nicht unbedingt wussten, wie eine bestimmte Technik funktioniert, doch nun ist eine neue Qualität hinzugekommen: Wir haben es mit operierenden Maschinen zu tun, die eingreifen und die Dinge beeinflussen, und wir sind ungeheuer abhängig von dieser gestalteten technischen Welt. Daraus speisen sich Ängste vor künstlicher Intelligenz."
Fokussierter Bericht
Das wirft viele Fragen auf. Eine stellt Dickel direkt selbst: "Wer entscheidet, wo und in welchem Ausmaß die Technik die Welt gestaltet, und gibt es Mitgestaltungsmöglichkeiten? Über solche Dinge wissen wir noch zu wenig, da hat auch die Politik viel Beratungsbedarf."
Einmal pro Monat trifft sich die Expertenkommission in Berlin. Zwölf Sitzung sind geplant, dann soll der Bericht fertig sein. "Das erste Treffen fand bereits statt. Es hat sich dort schon abgezeichnet, dass wir viel Arbeit vor uns haben. Aber zum Glück sind wir nicht allein. Eine Gruppe von sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht uns zur Seite, die in Vollzeit arbeiten. Das sind unglaublich engagierte Leute, die hoch kompetent arbeiten."
An einige Richtlinien muss sich die Kommission halten. "Es hieß schon, dass wir uns zumindest in einem Bereich nicht an unseren Vorläufern orientieren sollen: Wir sollen keinen langen Bericht schreiben. Er soll fokussiert, kurz und knackig werden. Das kann ich verstehen. Letztendlich geht es um Politikberatung, und welcher Politiker liest schon Hunderte von Seiten zu solch einem Thema?"
Chancen und Schattenseiten
Natürlich kann Dickel noch nichts zum Inhalt des Berichts sagen, aber er wagt immerhin eine informierte Prognose: "Unsere Empfehlung wird sicher nicht sein: Macht euch nicht die Finger schmutzig mit der digitalen Welt. Aber wir werden selbstverständlich die Schattenseiten der Digitalisierung nicht ignorieren. Man könnte zum Beispiel sagen, dass der Aufstieg des Populismus mit sozialen Medien zu tun hat, denn es gibt nun die Möglichkeit, sich direkt seine Öffentlichkeit zu suchen."
Am Ende wird der Bericht als ordentliche Bundesdrucksache erscheinen. "Aber wir überlegen jetzt schon, wie wir ihn digitaler als üblich gestalten können. Was genau möglich ist, wissen wir noch nicht, aber auch das werden wir herausfinden in den kommenden Monaten", sagt Dickel.