Kreative Spitzenkräfte für eine zukunftsfähige Universität

5. April 2023

Das Gutenberg Forschungskolleg (GFK) fördert herausragende Wissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und berät das Präsidium in strategischen Fragen. Seit 2019 leiten Prof. Dr. Siegfried Waldvogel und seine Stellvertreterin Prof. Dr. Mita Banerjee das Exzellenzkolleg. Im Interview erzählen sie von den Schwerpunkten ihrer Arbeit.

"Die Zukunft der JGU ist uns ein großes Anliegen", stellt Prof. Dr. Siegfried Waldvogel gleich zu Beginn des Gesprächs klar. "Wir handeln vorausschauend und fragen uns immer wieder: Wo wollen wir hin mit unserer Universität? Dabei denken wir nicht nur an die kommenden drei, vier Jahre. Uns geht es um die Langzeitperspektive. Wir haben die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre im Blick."

Prof. Dr. Mita Banerjee nimmt den Faden auf und geht etwas konkreter auf die Arbeit des GFK ein: "Bei jedem neuen Antrag auf ein GFK-Fellowship schauen wir vor allem, was die betreffende Person der Gesamt-Universität bringt. Wir suchen exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Dinge in Bewegung setzen können." – "Wir suchen hochkarätige Forscherinnen und Forscher, die auch bereit sind, sich vor den Karren spannen zu lassen – für die Sache unserer Universität", ergänzt Waldvogel.

Am 7. November vorigen Jahres wurde das Führungsduo des GFK in seinen Ämtern bestätigt: Siegfried Waldvogel, Professor für Organische Chemie, und Mita Banerjee, Professorin am Obama Institute for Transnational American Studies, werden für weitere drei Jahre das Exzellenzkolleg der JGU leiten.

Führungsduo arbeitet Hand in Hand

Banerjee ist in Waldvogels Büro im Department Chemie zu Besuch. "Ich bin gar nicht so oft hier, auch wenn wir uns häufig sprechen", meint sie, während sie sich umschaut. "Er bezieht mich in alle Prozesse ein. Ich finde das super. Es ist gar nicht so selbstverständlich, dass wir in unseren Positionen wirklich alles gemeinsam erledigen." Waldvogel allerdings ist dieser Aspekt wichtig: "Wir können uns nahtlos vertreten", betont er. "Wir wissen beide immer sehr genau, was gerade läuft, wo es brennt, wo wir dringende Probleme angehen müssen."

Das 2007 gegründete GFK ist das älteste der drei Exzellenzkollegs an der JGU neben dem Gutenberg Lehrkolleg (GLK) und dem Gutenberg Nachwuchskolleg (GNK), die sich jeweils den Bereichen Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung widmen. "Wir gehören zu den Gremien, die viel bewirken können an der Universität", sagt Waldvogel. "Zum einen holen wir herausragende wissenschaftliche Spitzenkräfte nach Mainz, zum anderen beraten wir das Präsidium und die Fachbereiche in strategischen Fragen."

"Dabei sind wir sehr eigenständig", meint Banerjee. "Wir befinden uns in regelmäßigem konstruktivem Austausch mit dem Vizepräsidenten für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, aber wir führen nicht einfach nur aus, sondern bilden uns eine Meinung, bringen neue Perspektiven ein und hinterfragen kritisch – auch unsere eigene Arbeit: In den letzten Jahren wurden die Gelder knapper, das brachte uns dazu, die Instrumente unserer Förderung auf den Prüfstand zu stellen und sie noch weiter zu schärfen. Wenn wir nun zum Beispiel ein Fellowship vergeben, achten wir sehr darauf, dass die betreffende Person nicht nur Herausragendes auf ihrem Gebiet leistet. Sie muss zur Vision der JGU passen, ihre Arbeit in Mainz muss nachhaltig wirken." – "Im Grunde haben uns die Mittelkürzungen vorangebracht", resümiert Waldvogel. "Wir sind noch effektiver geworden, haben eingefahrene Strukturen hinterfragt, aber an verschiedenen Stellen auch festgestellt: Halt, das muss erhalten bleiben, hier dürfen wir nichts kürzen."

Die Fellows bilden eine wichtige Säule des GFK. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen: Die Biologin trifft auf den Historiker, der Soziologe auf die Mathematikerin. Die materielle Ausstattung der Fellowships hilft den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entscheidend bei der Etablierung ihrer Forschung an der JGU: Labors können eingerichtet, Stellen geschaffen werden. "Wir sind zwar bei der Auswahl der Fellows streng", erklärt Waldvogel. "Doch wenn sie dann bei uns sind, schaffen wir ihnen Freiräume. Kreativität können wir nicht planen, aber wir können ein gutes Umfeld bereitstellen, dann wachsen die Leute über sich hinaus. Das ist entscheidend: Wir vertrauen ihnen, dass sie gut arbeiten."

Leuchttürme für Mainz

Strategische Berufungen spielten in den vergangenen Jahren eine entscheidende Rolle an der JGU. "Sowohl in der Biologie als auch in der Chemie erlebten wir einen drastischen Generationswechsel", erzählt Waldvogel. "Das gab uns die Gelegenheit, echte Leuchttürme an die JGU zu holen." Als Beispiel nennt der GFK-Direktor den Chemiker Prof. Dr. Edward A. Lemke und die Zellbiologin Prof. Dr. Dorothee Dormann. "Sie konnten bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft den Sonderforschungsbereich 'Polymerkonzepte zum Verstehen zellulärer Funktionen' einwerben."

"Neben den Fellowships verfügen wir mit der 'Zielgeraden' über ein weiteres Förderinstrument, das besonders Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zugutekommt", ergänzt Banerjee. "Es ist auf Fachleute zugeschnitten, die seit Jahren ein Grundlagenwerk in der Schublade liegen haben und nun Zeit brauchen, um es vollenden zu können." Davon profitieren unter anderem die Germanistin Prof. Dr. Damaris Nübling mit ihrem Deutschen Familiennamenatlas und der Historiker Prof. Dr. Michael Kißener mit seiner Arbeit zur Geschichte des Bundesgerichtshofs in der frühen Nachkriegszeit. "Aber natürlich konnten wir auch in den Geisteswissenschaften wichtige strategische Berufungen in die Wege leiten. So waren wir beteiligt an der Berufung des Buchwissenschaftlers Prof. Dr. Gerhard Lauer an die JGU, der sich besonders mit Methoden der Digital Humanities beschäftigt."

Die JGU spiegelt sich mit all ihren Fachbereichen im Forschungskolleg. Auch die Hochschule für Musik und die Kunsthochschule sind mit Fellows vertreten. "Wir sitzen gleichberechtigt an einem Tisch", betont Waldvogel. "Bei uns gibt es keine Exoten. All unsere Fellows vereint, dass sie Spitzenkräfte in ihrem Fach sind, die ungewöhnliche Wege gehen und um die Ecke – out of the box – denken können."

Der Kontakt zwischen den Fellows ist rege. Das gilt sowohl für die 23 aktuellen als auch für die ehemaligen Mitglieder des GFK. "Wir fördern sehr bewusst den interdisziplinären Austausch", sagt Banerjee. Workshops, eine zwanglose 'Tea Time' oder die Gewölbegespräche im Keller des ReWi-Gebäudes bieten regelmäßig Anlass für spannende Diskussionen.

Herausforderungen der Zukunft

Jüngst konnte die JGU beim Bundesministerium für Bildung und Forschung zwei Zukunftscluster (Clusters4Future) einwerben: das "Cluster für Atherothrombose und individualisierte Medizin" (curATime) unter maßgeblicher Beteiligung des GFK-Mitglieds Prof. Dr. Wolfram Ruf und das Cluster "Elektrifizierung Technischer Organischer Synthesen" (ETOS), das Waldvogel selbst ins Leben rief. "Von insgesamt sieben geförderten Clustern sind zwei bei uns angesiedelt", hebt Banerjee hervor. "Das spricht für die Zukunftsfähigkeit der JGU." Zudem hat Waldvogel für sein Projekt die Geisteswissenschaften mit ins Boot geholt. "Auch das ist außergewöhnlich, aber typisch für unser Forschungskolleg", so Banerjee.

"In den letzten Jahren hat das GFK viel bewegen können für die Universität", meint Waldvogel zusammenfassend. "Unsere Gesellschaft sieht sich entscheidenden Herausforderungen gegenüber. Wir müssen ausgetretene Pfade verlassen. Wir setzen zum Beispiel immer noch sehr auf fossile Energieträger. Das muss sich ändern. Hier ist die Wissenschaft gefragt – und wir haben exzellente Forscherinnen und Forscher, die zu solchen Themen arbeiten." Waldvogel sieht die JGU gut aufgestellt. Sie kann sich der Zukunft stellen, auch dank des Gutenberg Forschungskollegs.

Text: Gerd Blase