Mensch und Medizin

14. September 2016

Zum 15. Mal hat der Mainzer Wissenschaftsmarkt in seine Zeltstadt im Schatten des Mainzer Staatstheaters eingeladen. Zahlreiche Institutionen und Firmen der Region, die sich zur Mainzer Wissenschaftsallianz zusammengeschlossen haben, präsentierten Forschung rund um das Thema "Mensch und Medizin". Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und die Universitätsmedizin Mainz waren besonders stark vertreten.

Beinahe sieht Pascal Welker aus wie ein seriöser Wissenschaftler, wäre da nur nicht dieses orangefarbene T-Shirt unter seinem blendend weißen Laborkittel. "Feuer und Flamme" ist darauf als Motto zu lesen – und diesem Motto wird der Lehramtsstudierende der JGU durchaus gerecht.

Gerade hält er eine fast leere Getränkedose über einen Bunsenbrenner. In der Dose befindet sich ein wenig Wasser, das nun hochkocht. Bald ist das Gefäß vollständig mit Wasserdampf gefüllt. Nun dreht Welker die Dose und taucht sie mit der Öffnung nach unten in ein Wasserbad. Mit einem lauten Knirschen knäult sich das Metall zusammen. Triumphierend hält der Student das Ergebnis empor.

Experimentieren im NaT-Lab

"Dafür kriegen Sie aber kein Pfand mehr", bemerkt ein Herr kritisch. Welker grinst: "Ja, aber die Investition hat sich doch gelohnt, oder?", fragt Welker in die Runde. Er wendet sich an die eifrig nickenden jüngeren Zuschauer. "Das könnt ihr ganz einfach zu Hause nachmachen. Stellt die Dose auf eine Herdplatte. Das geht genauso gut." Dann fällt ihm zum Glück noch ein: "Macht das aber auf keinen Fall ohne eure Eltern!"

Jahr für Jahr bringt das NaT-Lab der JGU Hunderten Kindern und Jugendlichen die Naturwissenschaften näher. An Forschertagen, in Ferienakademien und in zahlreichen Kursen können sie vor allem Chemie und Physik hautnah erleben. Nun ist das Team des NaT-Lab von der Universität aus mitten in die Stadt gezogen. Es ist eine der vielen Attraktionen des Wissenschaftsmarkts der Mainzer Wissenschaftsallianz.

Bereits zum 15. Mal versammeln sich Institutionen, Unternehmen und Hochschulen im Schatten des Mainzer Staatstheaters, wo sie der Bevölkerung die Facetten ihrer Forschung zu präsentieren. In vier großen Zelten wechseln sich rund 400 Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Akademikerinnen und Akademiker ab, um ihrem Publikum zwei Tage lag die Welt der Wissenschaft näherzubringen. Die JGU, die Universitätsmedizin Mainz und deren Institute sind dabei wieder mit besonders vielen Ständen und Aktionen vertreten.

Killerzelle als Comic

"Mensch und Medizin" stehen dieses Jahr im Mittelpunkt des Wissenschaftsmarkts, aber am Rande ist durchaus noch Platz für weitere Themen, besonders auch für die Show-Experimente des NaT-Lab. Gerade erläutert Welker, warum die Dose am Ende so zerknautscht aus dem Experiment kam: "Der Wasserdampf verdrängt die Luft aus der Dose. Wenn ich sie dann ins Wasser halte, kühlt der Dampf ab und ..."

"Wir als Wissenschaftler fragen immer: Warum passiert etwas?", erklärt NaT-Lab-Leiterin Dr. Christa Welschof einigen Kindern, die nun selbst Hand anlegen und experimentieren wollen. Einige nähern sich eher zögerlich den bereitstehenden Reagenzgläsern. "Keine Angst, es passiert nichts Schlimmes", beruhigt sie Welschof. Eine Sechsjährige nickt zustimmend: "Das weiß ich. Meine Mama ist Chemielaborantin."

Vor allem der Nachwuchs kommt beim Wissenschaftsmarkt auf seinen Kosten. Es ist kaum eine Institution vertreten, die nicht zu einer Mitmachaktion einlädt. Das Forschungszentrum für Immuntherapie (FZI) etwa präsentiert die Zellen des Immunsystems in Form von Comic-Figuren. Eine Killerzelle droht grimmig dreinschauend mit zwei Revolvern. Das kommt an. Das Team am Stand hat die Comic-Konterfeis der Zellen auf Bauklötze geklebt, die wie Dominosteine in Reih und Glied stehen. Hinzu kommt nun ein Bauklotz-Erreger, stellt sich davor, kippt um und löst eine Kaskade an Reaktionen aus. "Mit solch einer einfachen Veranschaulichung kommen wir auch mit Erwachsenen ins Gespräch über das Immunsystem", berichtet Daniel Kunz.

Hirn und Herz

Das Projekt Gutenberg Brain Study (GBS) der Universitätsmedizin stellt seine Studien vor. Der Leiter PD Dr. Oliver Tüscher bemüht sich darum, den Interessierten in möglichst knapper Form zu erklären, was genau erforscht wird. Unter anderem geht es bei der Studie "Age Gain" um die kognitiven Fähigkeiten von Seniorinnen und Senioren. Dass ein gewisser Abbau stattfindet, ist unumstritten. Aber bei rund 30 Prozent passiert das eben nicht in dem erwarteten Maße. "Wir wollen herausfinden, warum das so ist und wie es ihnen gelingt, ihre Fähigkeiten zu erhalten."

Die vier Zelte des Mainzer Wissenschaftsmarkts haben viel zu bieten. Oft sind es ganz einfache Dinge, die das Publikum anziehen. So bietet beispielsweise die Stiftung Mainzer Herz der Universitätsmedizin eine Messung des Body-Mass-Index an. Dafür stehen die Leute Schlange. Die Grüne Schule der JGU zeigt Exponate rund um den frisch eröffneten "Gart der Gesundheit", einen Kräutergarten, der dieses Jahr im Botanischen Garten der JGU entstanden ist. Besucherinnen und Besucher können sich eigene Kräutertees zusammenmischen und sich die Inhaltsstoffe vorher genauer unter dem Binokular anschauen. Auch das findet reichlich Anklang.

Zusätzlich zu den Zelten hat das Staatstheater seinen unterirdischen Orchestersaal zur Verfügung gestellt. Beim "Science Slam for Female Researchers" erklären hier junge Wissenschaftlerinnen möglichst pointiert und unterhaltsam ihre Forschung. Am Ende stimmt das Publikum durch Applaus ab, wer Slam-Meisterin sein soll. Doch die Abstimmung wird erst abends stattfinden. Davor halten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den ganzen Tag über Kurzvorträge zu Themen rund um "Mensch und Medizin".

Medien und Sucht

Dr. Klaus Wölfling von der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin macht den Anfang. Sein Thema sind "Neue elektronische Medien und Suchtverhalten". Jugendliche, die mal eine Nacht am PC durchzocken, seien nicht das Problem, meint der Diplompsychologe. Er zählt eine lange Liste von Symptomen auf, von denen gleich mehrere zusammenkommen müssen, bevor von einer Sucht die Rede sein kann. Wenn die Gedanken ständig um ein Computerspiel kreisen, wenn die Spieldosis ständig erhöht werden muss, wenn das soziale Umfeld keine Rolle mehr spielt, dann sind das alarmierende Anzeichen. Oft werde zu spät darauf reagiert. "Leider ist es so, dass die Patientinnen und Patienten meist sehr spät zu uns kommen, wenn sie bereits Jahre des exzessiven Spiels hinter sich haben."

Vom unterirdischen Orchestersaal geht es wieder hoch in die Sommersonne. In den vier Zelten drängen sich immer mehr die Menschen. Gerade hält Welker eine frische Getränkedose über den Bunsenbrenner. Dampf bildet sich, die Dose wandert ins Wasserbad, das Pfand ist futsch. Das wird noch sehr oft passieren an diesen beiden Tagen …