Mit Blaulicht gegen die Entzündung

20. November 2014

Es gibt Hoffnung für Menschen, die unter Neurodermitis leiden: PD Dr. Detlef Becker, Oberarzt an der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz, hat mit der Blaulichttherapie hervorragende Ergebnisse erzielt. Doch sie ist kostspielig und die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen sie nicht. Eine wissenschaftliche Studie soll belastbare Daten zur Wirkung der Methode bringen.

"Neurodermitispatienten werden schlecht versorgt in diesem Land", sagt Becker, "und Allergiker zunehmend auch. Sie haben keine Lobby." Die gesundheitspolitischen Weichenstellungen der letzten Jahre sieht der Oberarzt an der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz höchst kritisch. "Ich hoffe, dass das Pendel irgendwann wieder in die andere Richtung ausschlägt."

Becker hat täglich mit Neurodermitispatienten zu tun. Sie kommen aus der gesamten Bundesrepublik zur Behandlung nach Mainz. "Eine Patientin reist extra aus Hamburg an." Der Dermatologe bietet mit der Blaulichttherapie eine Methode an, die hervorragende Ergebnisse erzielt. Grundsätzlich gibt es bisher keine Therapie, die nachhaltig wirkt bei Neurodermitis. "Aber unsere Erfolgsaussichten sind gut. Drei von vier Patienten profitieren von der Blaulichttherapie. Leider bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen diese Therapie nicht – und sie ist teuer."

Große Studie in Planung

Derzeit plant Becker mit Kollegen in München und Wien eine größere Studie, um belastbare Daten zur Wirkung der Blaulichttherapie zu bekommen. "Wir wollen eine Publikation erstellen, deren Ergebnisse sich nicht mehr wegdiskutieren lassen", gibt sich der Dermatologe kämpferisch.

Die Hautklinik in Mainz verfügt seit dem Jahr 2007 über die Geräte für die Blaulichttherapie. "Sie werden nur von einer einzigen kleinen Firma hergestellt", erzählt PD Dr. Detlef Becker. Der Patient ruht auf einer Liege in einem gläsernen Behältnis. Ein Zylinder wandert über dieses Behältnis und sendet pulsierendes Blaulicht aus. Zwei Ventilatoren am Fußende brummen. Sie halten mit ihrem Luftstrom die Haut der Patienten unter dem wärmenden Licht kühl. "Bei 37 Grad Celsius wirkt die Therapie, bei 39 Grad schon nicht mehr", erklärt Becker.

Zwar muss, wer in dieses Licht schaut, eine Schutzbrille tragen. Aber ansonsten wirkt die Behandlung wenig spektakulär. "Ich kann verstehen, dass Leute skeptisch sind, wenn sie von dieser Methode hören", räumt der Dermatologe ein. "Um wirklich zu verstehen, was wir hier tun, müssen Sie die Hintergründe kennen."

In den Industrieländern leiden 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung unter dem sogenannten Atopie-Syndrom und viele von ihnen auch unter Neurodermitis mit trockener, entzündeter Haut, unter juckenden, schmerzenden Ekzemen. Sie verdanken diese Erkrankung einer Fähigkeit ihres Körpers, die einst dem Überleben diente.

Atopie zur Wurmabwehr

Atopie nennt sich das Phänomen. "Es bietet Vorteile etwa für die Abwehr von Bandwürmern", erklärt Becker. Atopiker haben die Fähigkeit, als Reaktion auf Fremdeiweiß mit bestimmten Eigenschaften massenhaft Immunglobuline E (IgE) zu produzieren. Dieses IgE hilft zum Beispiel bei der Abwehr von Parasiten, die dem Körper schaden könnten. "In einer Zeit, in der es eine Überlebensfrage war, ob man seine Nahrung mit einem Bandwurm teilen musste oder nicht, war das hilfreich."

In den Industrieländern aber sind weder Bandwürmer noch Nahrungsmangel ein großes Thema. Die Immunglobuline E suchen sich also ein anderes Betätigungsfeld. Sie wenden sich gegen Stoffe, die dem Körper an sich nicht schaden. So entstehen vereinfacht dargestellt Allergien. Die Immunabwehr äußert sich in Entzündungen. Schleimhäute schwellen an oder Ekzeme entstehen – wie bei der Neurodermitis.

"Wir besitzen aber auch regulatorische Einheiten. Das sind Kontrollzellen, die ungünstige oder überschießende Entzündungen verhindern sollen." Dieser Regulationsmechanismus schafft es bei Atopikern jedoch nicht, alle Allergiesymptome oder die Neurodermitis zu kontrollieren.

"Die herkömmliche Neurodermitisbehandlung wirkt wie ein Hammer. Sie macht alles platt." Cortison, Immunsuppressiva und UV-Bestrahlung unterdrücken die Immunabwehr. So schwinden die Symptome, aber eben nur vorübergehend, bis die Behandlung endet und alles von vorn beginnt. Abgesehen davon schlagen Nebenwirkungen zu Buche. UV-Strahlung kann in einer Überdosis sogar Krebs erzeugen.

Alternative zum Hammer

Die Blaulichttherapie setzt an einem anderen Punkt an. "Wir gehen als Arbeitshypothese davon aus, dass sie auf den Regulationsmechanismus einwirkt. Das Blaulicht aktiviert Sauerstoff. Das ist eigentlich das Einzige, was es macht. Dieser oxidative Stress könnte die Kontrollzellen stimulieren." Es gibt ihnen einen Anschub und ein ideales Milieu für ihre Arbeit. "Wir kennen dieses Phänomen auch von bösartigen Tumoren. Sie erzeugen oxidativen Stress in ihrer Umgebung und stimulieren so die Kontrollzellen, die eine wirksame Bekämpfung des Tumors durch das Immunsystem verhindern."

In den vergangenen Jahren haben Becker und sein Team gute Ergebnisse mit ihrer Therapie erzielt, auch wenn sie für Mediziner und für Patienten eine organisatorische Herausforderung darstellt. "Das Zeitfenster ist eng. Wenn beim Atopiker eine Entzündung aufblüht, sollte er schon am nächsten Tag bei uns mit Blaulicht bestrahlt werden."

Fünf Tage lang wird die je 48 Minuten dauernde Bestrahlung durchgeführt, dann folgt die Behandlung des Ekzems mit herkömmlichen Mitteln. Nach vier solchen Behandlungsblöcken setzt meist eine Wirkung ein. "Ganz selten dauert es auch länger, aber ab acht Blöcken stellt sich die Sinn- und die Kostenfrage." Eine Tagesbestrahlung kostet immerhin 177 Euro.

"Patienten, die auf die Therapie ansprechen, haben danach oft jahrelang Ruhe und alle sagen, dass es nie mehr so schlimm wurde wie zuvor." Das reicht aber nicht als Argument gegenüber den Krankenkassen oder der Politik. Es werden wissenschaftlich belastbare Studienergebnisse benötigt.

Studie mit Neurodermitikern

"Auch deswegen planen wir derzeit eine größere Studie, insbesondere mit Neurodermitikern zwischen 18 und 35 Jahren." Das ist die Gruppe, bei der berechenbar gute Ergebnisse erzielt werden. "Wir haben auch sehr gute Ergebnisse bei Kindern, aber da spielen angesichts ihrer Entwicklung noch sehr viele andere Faktoren hinein. Sie eignen sich deswegen nicht so gut für die Studie." Und bei älteren Atopikern, die dauerhaft unter Neurodermitis leiden, scheint es deutlich schwerer zu sein, die Verhältnisse durch eine Stimulation der Kontrollzellen grundlegend zu verändern. Die Studie läuft wahrscheinlich im Frühjahr 2015 an. Dann können sich Neurodermitiker, die gern an der Studie teilnehmen möchten, anmelden.

Für die Studie soll eine Patientengruppe sechs Monate lang mit Blaulicht behandelt werden, während eine gleich große Kontrollgruppe die herkömmliche Therapie bekommt. Danach vergleichen die Mediziner. Die Studie wird dann noch ein weiteres halbes Jahr fortgeführt, in dem alle Studienteilnehmerinnen und -Teilnehmer in den Genuss des Blaulichts kommen. Aber im Kern der Studie steht der Befund nach dem ersten halben Jahr.

Wenn die Ergebnisse entsprechend ausfallen, werden Becker und seine Kollegen sich dafür stark machen, dass Weichen gestellt werden, damit Neurodermitispatienten in Zukunft besser und vor allem nachhaltiger behandelt werden – nicht nur in diesem Land.