28. November 2014
Mit dem Job Shadowing präsentiert das Frauenbüro der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein neues Format, das es Studentinnen und Absolventinnen ermöglicht, in kurzer Zeit und mit relativ wenig Aufwand in Berufe hineinzuschnuppern. Die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz findet diese Idee hervorragend und bietet in diesem Semester gleich neun Frauen die Gelegenheit, verschiedenste Bereiche des Hauses kennenzulernen.
Ein wenig musste sie sich schon daran gewöhnen, dass ihr jemand die ganze Zeit über die Schulter schaut. "Das ist ja mein normaler Alltag. Ich organisiere Veranstaltungen, telefoniere viel … " Petra Plättner sitzt in ihrem Büro in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (ADW). Tatsächlich sieht es hier sehr nach Wissenschaft, vor allem aber nach Literatur aus. In den Regalen reihen sich die Bücher: hier Goethes Werke, dort Exilliteratur, da die Veröffentlichungen der Akademie – und zwischen alledem eine Gipsbüste des Dichters Wilhelm Heinse, der entspannt lächelnd in die Welt schaut.
"Auch für mich war das erstmal ein komisches Gefühl", meint Lisa Passow, "bei allem immer dabei zu sein und selbst eigentlich nichts zu tun." Plättner lächelt. "Ich dachte mir: Was soll's? Ziehen wir es einfach durch und sehen, was daraus wird."
15 Frauen, 11 Unternehmen
Die beiden sind Teil des neuen Job Shadowing-Programms, das vom Frauenbüro der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ins Leben gerufen wurde. Das neue Format soll Absolventinnen und examensnahen Studentinnen die Gelegenheit geben, einen Beruf praxisnah kennenzulernen, den Arbeitsalltag zu beobachten und sich ein erstes Bild zu machen, was passen würde für den späteren Berufsweg.
15 Frauen haben sich für diesen ersten Durchlauf des Job Shadowing gemeldet. 11 Unternehmen und Institutionen unterschiedlichster Couleur machen mit, darunter die Friedrich Ebert Stiftung und die Fraport AG, Finanzplaner Horbach und die Schott AG.
"Wir können uns vorstellen, das Job Shadowing-Programm noch auszubauen", meint Projektleiterin Monika Stegmann vom Frauenbüro. Für sie ist es wichtig, dass die Beschattung nicht einfach eine neue Form des Praktikums ist. "Das passive Zuschauen steht im Vordergrund." Dies soll dazu beitragen, dass der Aufwand für die teilnehmenden Unternehmen möglichst gering ist. Zugleich bekommen die "Schatten" die Gelegenheit, sich in relativ kurzer Zeit mit einem Berufsbild vertraut zu machen. Ein Job Shadowing dauert zwei bis drei Tage.
Beschattung erwünscht
"Wir sind von der Initiative angetan", bekräftigt Prof. Claudius Geisler, Generalsekretär der ADW. "Wir finden sie sehr originell." Deswegen hat die Akademie sich entschlossen, dem neuen Programm mit ungewöhnlich hohem Engagement zu begegnen. "Wir freuen uns schließlich, wenn jemand Interesse an unserer Arbeit hat."
Gleich neun Kandidatinnen absolvieren nun ein Job Shadowing an der ADW. Geisler begrüßte sie zusammen mit einer ganzen Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und stellte die Akademie mit all ihren Facetten vor: In den drei Klassen der ADW, der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse, der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse und der Klasse der Literatur und der Musik, tummeln sich prominente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler. Der interdisziplinäre Austausch ist rege. Unter dem Dach der Akademie finden sich verschiedenste Forschungsprojekte, zahlreiche wichtige Preise werden verliehen und natürlich lädt das Haus zu vielen Veranstaltungen ein.
Den neun Teilnehmerinnen der JGU bieten sich an der ADW verschiedenste Tätigkeitsfelder für ihr Job Shadowing: Wie wäre es mit einem Blick ins Lektorat oder in die Projektverwaltung? Oder mit der relativ jungen "Digitalen Akademie", die eine Brücke schlägt zwischen der Forschung und den modernen Medien? "Ich glaube, es ist für alle was dabei", so Geisler. "Wir sind auch flexibel. Ein Doppel-Shadowing wäre sicher möglich."
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Genau dafür entschied sich Lisa Passow. Zum einen möchte sie das Lektorat, zum anderen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, um die sich Petra Plättner kümmert, kennenlernen. "Ich habe mich vorher natürlich über die Akademie informiert, aber was hier genau passiert, konnte ich mir trotzdem nicht vorstellen." Mittlerweile ist die Studentin angetan von dem ungewöhnlichen Umfeld. "Hier kommt man mit Forschung aus den verschiedensten Bereichen in Kontakt, das finde ich sehr interessant."
Passow hat zuerst Germanistik und Philosophie studiert, dann schloss sie ein Studium der Theaterwissenschaften an der JGU an. Bald wird sie auch dieses abschließen. Es ist also Zeit, sich um die berufliche Zukunft zu kümmern. In diversen Praktika hat sie gemerkt, dass der Weg ins Regie- oder Dramaturgiefach nichts für sie ist. Die Akademie findet sie entschieden interessanter. "Ich habe einen kurzen Einblick bekommen, aber der hat mit gefallen. Die Tätigkeiten, die ich mir anschauen konnte, waren interessanter, als ich mir das vorgestellt hatte."
Petra Plättner hat angewandte Kulturwissenschaften in Hildesheim studiert. "Das Studium war sehr praktisch ausgerichtet", erinnert sie sich. Ihr beruflicher Weg verlief nicht unbedingt schnurgerade in Richtung Akademie. Unter anderem arbeitete sie im Schiller-Nationalmuseum in Marbach, bevor sie Referentin der Klasse der Literatur und der Musik der ADW wurde. Erst später kam das Ressort der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hinzu.
Ansteckende Begeisterung
"Unser Berufsweg läuft oft über Umwege", erzählt Plättner – und Passow hört gespannt zu. "Nach dem Studium hatte ich erstmal das Gefühl, ich kann eigentlich nichts. Vieles lief über Zufallsgeschichten." Mittlerweile kann sie offensichtlich einiges. Ihre Begeisterung für die Akademie ist ansteckend. Immer wieder erwähnt sie Glanzlichter: die Poetikdozentur etwa oder den auf 50.000 Euro dotierten Joseph-Breitbach-Preis, den die Akademie in diesem Jahr dem Erzähler, Essayisten und Orientalisten Navid Kermani zusprach.
Passow ist angesteckt. "Ich weiß, dass es nicht einfach ist, hier reinzukommen", sagt sie. Aber eine Zukunft in der Akademie könnte sie sich schon vorstellen. "Ich werde es mit einer Initiativ-Bewerbung versuchen, auch wenn meine Chancen aufgrund des Stellenplans vielleicht nicht sehr groß sind", sagt sie nach ihrem Job Shadowing. "Aber es gibt ja auch andere ähnliche Institutionen, bei denen ich mein Glück versuchen kann."