22. Mai 2014
Das Interesse am E-Learning-Tag Rheinland-Pfalz an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) war groß. Namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten multimediale Formate wie Massive Open Online Courses (MOOCS) vor, diskutierten didaktische Konzepte und berichteten von ihren Erfahrungen beim Vorstoß in die Welt des digitalen Lernens.
Er ist zum E-Learning-Tag Rheinland-Pfalz gekommen, um provokante Thesen zu präsentieren. "Wir haben gute Hochschulen", sagt Prof. Dr. Rolf Arnold, "aber wir haben keine guten Lernstrukturen an den Hochschulen." Der Vorsitzende der Landeshochschulpräsidentenkonferenz (LHPK) fordert: "Die Hochschulen sollen Wissen nicht mehr präsentieren, sie sollen Zugänge ermöglichen." Und dabei könnten die Instrumente des E-Learning von großem Nutzen sein.
Alle zwei Jahre lädt der Virtuelle Campus Rheinland-Pfalz zum E-Learning-Tag. 2014 ist die Johannes Gutenberg-Universität Mainz Gastgeber und Mitorganisator der Konferenz, die diesmal unter dem Motto "Lernformate: offen – kollaborativ – gamebasiert" steht. Fachleute verschiedenster Couleur beleuchten zukunftsorientierte Ansätze des Lehrens und Lernens, sie schauen auf E-Learning-Formate und auf didaktische Konzepte, die sich die digitale Welt zu Nutze machen.
Selbstgesteuertes Lernen
"Die Beweise sind zunehmend erdrückend, dass der Mensch nur selbst lernen kann", sagt Arnold. "Er hat in seiner Geschichte die meiste Zeit selbstgesteuert gelernt." Entsprechend dürftig seien die Erfolge des gesteuerten Lernens und Lehrens. "80 Prozent seines Wissens hat der Mensch jenseits von Bildungsinstitutionen erworben. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen."
Solche Erkenntnisse hätten zu einem Umdenken geführt, sagt der Pädagogikprofessor von der TU Kaiserslautern. Ob in Kitas oder in Schulen: längst gleite der Fokus weg von den Inhalten und hin zum Lernprozess. Es gehe nicht mehr darum, Wissen einzutrichtern.
Leider sei das an den Hochschulen noch nicht so recht angekommen. "Wirksame Lehre ist Anregung und Lernbegleitung, ist nicht die wirksame Inszenierung eines Inputs. Was für Personalprofile brauchen wir also an den Hochschulen? Reicht es, Professoren zu haben, oder brauchen wir andere Formen von Professionalität, von Lernbegleitung?"
In der Vielfalt des E-Learning sieht Arnold eine Chance, der Vielfalt der Lernenden gerecht zu werden. Das individuelle, selbstgesteuerte Lernen werde hier gefördert. "Es ist eine Rückbesinnung darauf, was den Menschen eigentlich ausmacht in Bezug auf Lernen."
Ein Integrationsproblem
Doch wie kann die Integration moderner Medien an Schulen und Hochschulen konkret funktionieren? Dieser Frage widmet sich Stefan Aufenanger, Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
E-Learning ermögliche die Veranschaulichung von Lerninhalten, es erweitere Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. "Lernen wird losgelöst von Zeitpunkten und Räumen." Selbstorganisiertes Lernen werde unterstützt.
Doch es reiche nicht, etwa den Schülern einer Klasse einfach Tablets in die Hand zu drücken und sie machen zu lassen. "Entscheidende Fragen müssen vorher gestellt werden, sonst kann das Integrationsprojekt schnell scheitern." Welche Geräte werden genutzt? Was soll damit erreicht werden? Wer muss vorher geschult, wer motiviert werden? All das und vieles mehr gelte es zu berücksichtigen. "Wir müssen genau überlegen: Mit welchen Begründungen und Zielen bringen wir digitale Medien an die Schulen und Hochschulen?"
MOOCs als Nebensache
Dr. Malte Persike hat sich das genau überlegt: "Ich lehre Statistik am Psychologischen Institut der JGU. Man kann sich vorstellen, was das bedeutet: Keiner hat Lust dazu – außer mir." Also brachte Persike frischen Wind in seine Lehrveranstaltung. Er produzierte Massive Open Online Courses (MOOCs). Im Jahr 2012 bekam er den mit 50.000 Euro dotierten Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre in den Sozialwissenschaften. Ausgezeichnet wurde sein innovatives, studierendenzentriertes Lehrkonzept, seine Art, multimediale Mittel einzusetzen.
Mittlerweile allerdings blickt Persike sehr selbstkritisch auf seine Initiative. Das spiegelt sich auch im Titel seines Vortrags: "Der MOOC als Nebensache – Chancen und Risiken von teiloffenen Flipped Classroom-Modellen."
Persike hat einen ungeheuren Aufwand für seine MOOCs betrieben. Zu einem Kurs produzierten er und sein Team rund 100 Kurzvideos von drei bis zehn Minuten Länge. Mit integrierten Quizfragen und Hausaufgaben ließ sich der Lernerfolg prüfen. Umfragen, Einspieler und einiges mehr machten die Filme attraktiv. Das kostete viel Zeit und Geld. Persike rechnet mit mindestens 30.000 Euro.
"Wir haben uns gefragt: Bringt das wirklich was?" Die Antwort darauf war ernüchternd. Bei ausschließlich videobasierten Kursen sank die Durchschnittsnote. Also holte Persike seine Studierenden für begleitende Lehreinheiten zurück in den Hörsaal. Die Noten erreichten wieder das vorherige Niveau. "Vor allem die guten Studierenden profitieren von den MOOCs. Aus einer guten Note wurde häufig ein 'sehr gut'. Aber dass wir die Schlechten eher verloren haben, war nicht gut."
Studierende als Hauptsache
Das Notenniveau in Persikes Kursen war schon vor Einführung der MOOCs hoch. Offensichtlich war durch die multimediale Wende nicht mehr viel zu verbessern. "In anderen Kursen, in denen es vorher Probleme gab, die ein Potenzial nach oben aufwiesen, da hatten wir Erfolge." Dennoch sagt Persike: "Unser Aufwand ist viel zu groß: Man muss zu anderen Lösungen kommen."
Viele Aspekte multimedialen Lernens wurden am E-Learning-Tag vorgestellt und diskutiert. Einig waren sich die Fachleute bei allen unterschiedlichen Einschätzungen vor allem in einem: E-Learning bietet viele Chancen.
"Wichtig ist ein Perspektivwechsel weg vom Lehrmaterial hin zum Studierenden", hatte Prof. Dr. Mechthild Dreyer, Vizepräsidentin für Studium und Lehre der JGU, bereits bei der Begrüßung zum E-Learning-Tag gesagt. "Das führt unmittelbar hin zur Frage nach geeigneten Lehrformaten." Dabei könne es nicht darum gehen, alte Formate einfach abzuschaffen und durch neue zu ersetzen. "Es geht um eine Ausweitung der Lehrformate, um eine Diversifizierung der Lehre."