17. Februar 2015
Das Smartphone verändert die Welt. Manch einer mag noch Widerstand leisten, andere sind begeistert von den neuen Möglichkeiten. Auf jeden Fall aber krempelt die moderne Technik verschiedenste Bereiche des täglichen Lebens um. Mit der Ausstellung "Touch dich sm@rt – Alltag in der digitalen Welt" zeichnen Masterstudierende der Kulturanthropologie/Volkskunde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein facettenreiches Bild dieser digitalen Revolution.
Da steht sie, die Beziehungskiste aus dem Zweiten Weltkrieg: vergilbte Briefe und Ansichtskarten, gesammelt in einem mit Blümchenmuster beklebten Karton, Handgeschriebenes, mit Schmuckbändern verschnürt zu kleinen Paketen. "Potsdam, den 10.4.1943", ist da zu lesen, "Mein geliebter Fred ..."
Auf dem Bildschirm über dieser Beziehungskiste aus dem vorigen Jahrtausend ist das Ganze noch mal zu sehen – nur ganz anders: Wieder kommunizieren zwei Liebende, doch diesmal schneller. Daumen huschen über die Tastaturen von Smartphones. Der Austausch zarter Regungen läuft 2015 zeitgemäß über WhatsApp. Es gibt kein langes Warten mehr auf Antwort, kein Ringen um jede Zeile, keine Feder kratzt über weißes Papier.
Kurze Zeichen des Gefühls
"Kommunizieren schafft Gemeinschaft", steht auf der Schautafel über den beiden Exponaten. "In der digitalen Welt hat sich die Kommunikation durch das Smartphone grundlegend verändert. Wir können zu jeder Zeit von jedem Ort aus miteinander in Kontakt treten." Der Blick wandert über die folgenden Zeilen, bis er an einem knappen Satz hängen bleibt: "Gefühle werden zu kurzen Zeichen."
Wer in der Ausstellung "Touch dich sm@rt – Alltag in der digitalen Welt" nach wohlfeilen Antworten sucht, geht leer aus. Hier wird kein Teufel an die Wand gemalt, aber auch keine schöne neue Welt beschworen. Über zwei Semester hinweg haben sich Masterstudierende des Fachs Kulturanthropologie an der JGU mit dem Phänomen des Smartphones beschäftigt. Nun präsentieren sie ihr Ergebnis in einer eigenen Sonderschau im Museum für Kommunikation Frankfurt. Ein Porträt in sechs Stationen ist entstanden, ein Bild mit vielen Widersprüchen, Stoff zum Diskutieren.
"Es war eigentlich daran gedacht, eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg zu machen", erzählt Prof. Dr. Michael Simon vom Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft der JGU. Doch seine Studierenden hatten entschieden andere Vorstellungen.
Menschen von 13 bis 76
"Wir wollten uns mit einem aktuellen Thema beschäftigen, mit einem Thema, das uns direkt betrifft", meint Sandra Schmidt. Die Wahl fiel auf die digitalen Medien. "Wir sind dann ziemlich schnell aufs Handy und aufs Smartphone gekommen", erzählt die Studentin. "Man steht mit dem Handy auf, kommuniziert mit Freunden, organisiert damit seine Termine. Es begleitet einen den ganzen Tag."
Im ersten Projektsemester suchten sich die Studierenden Interviewpartner. "Unsere jüngste Gesprächspartnerin war 13 Jahre alt, der älteste 76. Für die Interviews haben wir einen Leitfaden erarbeitet. Wir haben uns dabei auch gefragt: Was würden wir uns selbst fragen? Selbstreflexion spielt eine große Rolle."
Handy-Muffel kamen ebenso zu Wort wie begeisterte Smartphone-User. Insgesamt äußerten sich fast 50 Personen. Allmählich schälten sich die sechs Themenkomplexe heraus, die sich nun in der Ausstellung finden. Station 1.0 mit der Kiste der Beziehungen konzentriert sich aufs Kommunizieren. Von dort geht es über "Informieren", "Organisieren", "Partizipieren" und "Konsumieren" bis zu Station 6.0, bei der sich alles ums "Inszenieren", um Selfies und Co., dreht.
Klischees und Erwartungen
Bunte Texttafeln und -fahnen verschaffen an jeder Station einen Überblick. Vor allem aber finden sich überall die Zitate der Interviewten: "Du recherchierst nicht, du googelst." Kostas, 26. "Man ist natürlich durch die Technik ein bisschen verwöhnt." Joachim, 65. "Ich glaub', dass es nicht besonders sicher ist, aber das ist so ein Thema, das ich verdränge. Also, ich denk' nicht so viel darüber nach." Elena, 26.
Mit einigen Klischees räumt die Ausstellung gründlich auf. "Wir dachten, dass wir bei älteren Leuten vor allem hören würden, dass sie ihr Handy für den Notfall brauchen", erzählt Dominique Conte. "Aber sie nutzen es oft zur Freizeitgestaltung, halten damit Kontakt zu Freunden oder spielen online."
Manchmal wurden Erwartungen erfüllt. "Die Sicherheit war tatsächlich ein Riesenthema", so Conte. "Die Leute wissen um die Gefahren, überwacht zu werden. Sie wissen, was für Möglichkeiten es da gibt. Aber ihr Fazit war meist: Wir nehmen die Gefahren in Kauf, weil die Vorteile überwiegen. Wir hörten auch oft den Satz: Wir haben ja nichts zu verbergen."
Willkommene Ergänzung
Für Conte ist das zu kurz gedacht, daraus macht sie keinen Hehl, aber darum soll es nicht gehen in der Ausstellung: Die Studierenden beschreiben, wie der Alltag mit Smartphones läuft. Ein Urteil kann sich dann jeder Besucher selbst bilden.
Katrin Petersen vom Museum für Kommunikation freut sich über diese Sonderausstellung. "Touch dich sm@rt" ist integriert in einen Abriss der Kommunikation von der Steinzeit bis in die Gegenwart – beinahe bis in die Gegenwart. "Die Dauerausstellung endet beim iPhone 3. Eine ständige Aktualisierung können wir gar nicht leisten. Deswegen freuen wir uns über die brandneuen Forschungsergebnisse." Die Interviewaufzeichnungen und einiges mehr werden im Museum bleiben.
"Unsere Ausstellung ist als Intervention gedacht", ergänzt Simon und deutet auf die Exponate der Dauerschau, die direkt zwischen den Stationen der Mainzer Ausstellung stehen. Gerade mit dieser Intervention wird deutlich, wie rasant die Entwicklung voranschreitet. Viele der regulären Stücke wirken bereits antiquiert, obwohl sie vor einem Jahrzehnt noch als neueste Entwicklung gefeiert wurden. "Vielleicht kommen wir ja in zehn Jahren wieder mit einer Ausstellung nach Frankfurt", meint der Professor. "Ich habe aber noch keine Ahnung, wie die dann aussehen wird."