Unterstützung bei all den wichtigen Kleinigkeiten

27. September 2016

Seit 35 Jahren gibt es die Grünen Damen an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Sie gehen von Station zu Station, von Krankenbett zu Krankenbett, um die Patientinnen und Patienten in alltäglichen Belangen zu unterstützen. Sie erledigen Einkäufe, laden auch mal eine Telefonkarte auf – oder sie sind einfach da, wenn jemand ein Gespräch sucht.

Cecilia Schmidt kam mit einer Knieschwellung in die Orthopädie der Universitätsmedizin Mainz. Die ältere Dame rechnete damit, schnell wieder zu Hause zu sein, doch da hatte sie sich getäuscht: Der behandelnde Arzt sah den Ernst der Lage, und aus der Stippvisite wurde ein zehntägiger Aufenthalt. "Ich hatte gar nichts dabei. Keine Wäsche, kein Nachthemd. Nichts!" Schmidt kannte auch niemanden, der etwas von zu Hause hätte holen können. Klar, eine Grundversorgung war gesichert in der Klinik. Ein Zahnpflegeset etwa stand parat, aber der Rest …

Da kam diese Frau in ihr Zimmer. "Guten Morgen, ich gehöre zu den Grünen Damen. Ich komme ehrenamtlich vorbei. Kann ich etwas für Sie tun?" – "Ich war so froh", erinnert sich Schmidt. Sie bekam Wäsche aus dem Fundus der Grünen Damen. Sogar eine Strickjacke fand sich. "Im Sommer trage ich ja nur diese kurzärmeligen Sachen, aber in der Nacht wird es eben doch ziemlich kalt."

35 Jahre Grüne Damen

Schmidt geht es mittlerweile entschieden besser, das Ärzteteam konnte ihr helfen. Dafür ist sie sehr dankbar. In den nächsten Tagen wird sie entlassen, dann lässt sie all das hinter sich. "Aber die Grünen Damen werden mir in Erinnerung bleiben", schwärmt sie. "Sie machen das toll, und sie sind so wichtig. Die Grünen Damen sollen sich bloß nicht wegrationalisieren lassen."

Seit nunmehr 35 Jahren gibt es die Grünen Damen an der Universitätsmedizin Mainz. Die Gefahr, dass sie wegrationalisiert werden, besteht zum Glück nicht, denn sie arbeiten ehrenamtlich. "Wir könnten aber Nachwuchs gebrauchen", räumt Christine Brückner ein. Sie leitet die Gruppe aus 27 Grünen Damen und einem Grünen Herrn an der Universitätsmedizin Mainz. "Besonders ein paar mehr Männer wären nicht schlecht", ergänzt Claudia Nass, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. "In der Urologie zum Beispiel würden die Patienten sicher lockerer mit einem Mann umgehen."

Zum Gespräch über ihr Engagement haben sich drei Grüne Damen im Foyer des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie eingefunden. Edeltraud Lutz vervollständigt das Trio. Sie plant die Freizeitaktivitäten der Gruppe. "Wir haben einen monatlichen Stammtisch, machen Ausflüge – aber natürlich treffen wir uns auch einfach auf einen Kaffee, um uns auszutauschen", sagt sie. Wobei dieser Austausch, gerade wenn es um Patientinnen und Patienten geht, festen Regeln folgt. "Wir unterliegen der Schweigepflicht", stellt Brückner klar. Darauf werden die drei achten, wenn sie von ihrer Arbeit erzählen.

Ausnahmsweise ein Piccolo

Die Grünen Damen erledigen vor allem Kleinigkeiten – aber es sind eben jene Kleinigkeiten, die im Alltag der Patientinnen und Patienten immens wichtig sind. "Es kommt alles Mögliche", meint Lutz. "Oft holen wir einfach eine Zeitung oder erledigen Einkäufe." Ein wenig Obst oder eine Tafel Schokolade können den Tag in der Klinik ungeheuer versüßen. Das feste Klinikpersonal kann und darf solche Gänge nicht erledigen. Wer also keine Angehörigen oder Freunde hat, die ihm unter die Arme greifen, ist hier auf die Grünen Damen angewiesen.

"Viele wünschen sich auch Zigaretten", sagt Brückner, "ausgerechnet in der Pneumologie ist das häufiger der Fall. Da muss ich natürlich vorher fragen, ob es erlaubt ist. Es gab auch mal einen Patienten der mich bat, ihm einen Piccolo zu besorgen. Als ich fragte wofür, erklärte er: 'Heute Nachmittag kommt meine Frau. Wir haben Goldene Hochzeit.'"

Schon hier wird klar, dass die scheinbar so kleinen Hilfestellungen die Grünen Damen schnell in Grauzonen führen können. Alkohol und Nikotin sind nicht gerade gern gesehen in der Universitätsmedizin. Blauäugiges Einkaufen verbietet sich da von vornherein. Auch deswegen durchläuft jede Grüne Dame und jeder Grüne Herr ein Seminar zu Beginn der Tätigkeit. Vier Abende und ein Studientag bereiten auf die Tätigkeit am Krankenbett vor, führen in den Klinikalltag und die Situation von Patientinnen und Patienten ein. "Außerdem stehen wir in engem Kontakt mit der Pflegedienstleitung und den Seelsorgern", berichtet Brückner. "An sie können wir uns immer wenden."

Ein Herr in der Sitzgruppe nebenan hat das Gespräch bis hierher aufmerksam verfolgt, nun muss er auch etwas loswerden: "Die Grünen Damen hier sind hervorragend auf ihre Arbeit vorbereitet. Ich habe den Eindruck, diese Frauen haben durchweg ein hohes Bildungsniveau. Schreiben Sie das ruhig", sagt er mit Nachdruck, bevor er durch das Foyer in Richtung der Aufzüge davon humpelt.

Ein Vormittag für Patienten

Die Grünen Damen lächeln. "Wir kommen aus den verschiedensten Bereichen", erklärt Brückner. Sie selbst war als Zahntechnikerin an der Universitätsmedizin tätig. "Ich bin also eher eine Handwerkerin", meint sie. Doch bereits in dieser Tätigkeit kam sie mit Patientinnen und Patienten in Kontakt. Das wollte sie auch im Ruhestand nicht missen.

Claudia Nass arbeitet als Bürokauffrau im Betrieb ihres Mannes. Einst lag sie selbst im Klinikbett und neben ihr eine Dame, die auf eine Operation wartete. "Niemand kam sie besuchen." Also wurde Nass ihre Ansprechpartnerin. "Als sie dann später zu einer zweiten Operation in die Klinik musste, fragte sie mich, ob ich sie besuchen könnte." Das war ihr Einstieg.

Edeltraud Lutz war einst Chefsekretärin. "Ich habe sehr lange in dem Beruf gearbeitet. Als ich danach eine Möglichkeit suchte, mich ehrenamtlich zu engagieren, kam ich über eine Bekannte zu den Grünen Damen."

Einen Vormittag pro Woche ist jede Grüne Dame – und jeder Grüne Herr – nach einem festen Einsatzplan unterwegs. "Eine Dame betreut in der Regel drei Abteilungen", erzählt Nass. "Wir gehen von Tür zu Tür und fragen, ob wir helfen können, ob die Leute etwas brauchen." Manchmal werden die Grünen Damen wieder weggeschickt, manchmal geht es um das Aufladen einer Telefonkarte und manchmal suchen die Patienten das Gespräch. "Wenn jemand das Bedürfnis hat zu reden, dann bleibe ich eben eine halbe Stunde sitzen und höre zu. Auch das ist wichtig."

Keine frommen Sprüche

"Es ist überraschend, welches Vertrauen die Leute zu uns haben", meint Lutz. "Uns werden oft sehr private Dinge erzählt, Sachen, die die Menschen nicht mal ihren Angehörigen oder Freunden anvertrauen wollen." Brückner nickt: "Es ist schon vorgekommen, dass mir jemand sein ganzes Leben erzählt hat. Ich könnte Bücher darüber schreiben." Das allerdings wird sie nicht tun. Schließlich unterliegt sie der Schweigepflicht und die nimmt sie ernst.

Bundesweit engagieren sich rund 11.000 Grüne Damen und Herren in 497 Krankenhäusern und 236 Altenhilfeeinrichtungen. Zusammengefasst sind sie unter dem Dach der Evangelischen Kranken- und Alten-Hilfe e.V. "Wir sind aber nicht konfessionell gebunden", stellt Brückner klar. "Bei uns kann jeder mitmachen. Und wenn ich die Patientinnen und Patienten besuche, komme ich ihnen auch nicht mit frommen Sprüchen. Wir wollen einfach helfen."

Dieser eine Satz bringt die Arbeit der Grünen Damen und Herren auf den Punkt: Sie wollen einfach helfen. In diesem Sinne macht sich auch Nass nun auf den Weg. Es geht hoch in den achten Stock, Station 8b. Sie klopft an die erste offen stehende Tür, schaut hinein und sagt: "Guten Morgen. Ich bin von den Grünen Damen. Wir kommen ehrenamtlich vorbei. Kann ich etwas für Sie tun?"