Wandel der WELT mitgestalten

21. September 2018

Mit gerade mal 33 Jahren übernahm Niddal Salah-Eldin einen führenden Posten in einem der modernsten Medienkonzerne Europas: Sie arbeitet als Direktorin für digitale Innovation bei der WELT. Ihr Studium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hält sie in guter Erinnerung. Aus dieser Zeit hat sie vieles mitgenommen und fühlt sich den Menschen in der Region weiterhin verbunden.

Das Axel-Springer-Hochhaus am Nordrand von Berlin-Kreuzberg ist ein gewaltiger Gebäudekomplex. Hier residiert einer der größten und modernsten Medienkonzerne Europas – und hier arbeitet seit rund vier Jahren Niddal Salah-Eldin. In dieser kurzen Zeit hat sie es bereits weit gebracht: Seit Beginn des Jahres berät sie als Director of Digital Innovation die Chefredaktion der WELT.

Für das Gespräch hat die 33-Jährige den Newsroom im Erdgeschoss des Hauses ausgewählt. Auch hier beeindrucken die Dimensionen. An Dutzenden von Tischen sitzen Redakteurinnen und Redakteure. Im Zentrum hängt ein Rondell mit Großbildschirmen von der hohen Decke, auf denen ständig Nachrichten in Bild und Schrift flimmern. Nur der Ton fehlt. Überhaupt ist es recht still in diesem weiten Raum. Jeder scheint hoch konzentriert zu arbeiten. Dies ist das Herz der WELT.

WELT setzt auf online first

"Ich habe gerade erst mein neues Büro bezogen und im Moment bekomme ich die neuen Möbel", erzählt Salah-Eldin. "Deswegen treffen wir uns lieber hier unten." Sie selbst saß bis vor Kurzem an einem der Tische und leitete von dort die Social-Media-Abteilung der WELT, zu deren Gründungsteam sie gehörte. "Am besten erkläre ich Ihnen zuerst ein wenig, wie dieser Newsroom funktioniert", meint Salah-Eldin und übernimmt die Regie.

Die WELT ist längst viel mehr als eine Zeitung. "Wir sind eine Multichannel-Medienmarke." Das spiegelt sich im Newsroom. Salah-Eldin deutet auf die zentrale Tischgruppe unter dem Bildschirmrondell. "Wir nennen sie 'das Auge'." Dort wird die Nachrichtenlage sondiert. "Wir arbeiten in drei Geschwindigkeiten: An erster Stelle steht welt.de, unsere Online-Präsenz, dann kommt die Tageszeitung, danach die 'Welt am Sonntag'."

1995 ging die WELT als erste große deutsche Zeitung ins Netz, 2006 etablierte die Chefredaktion das Prinzip "online first". Damit ist nicht gemeint, dass die analogen Ausgaben zum Nebenprodukt werden, eher geht es um eine Abfolge: Die Online-Präsenz ist die Quelle, aus der die Nachrichten am aktuellsten sprudeln, aus ihr bedienen sich auch die Zeitungsmacher, die ausgewählte Beiträge für die Print-Medien aufarbeiten.

Salah-Eldin führt am "Auge" vorbei in einen kleinen Raum, der lediglich durch eine Glaswand vom Newsroom getrennt ist. Dies ist ihr zweites Büro, von dem sie alles weiter im Blick behält, aber ungestörter erzählen kann. Es soll nicht nur um ihre Arbeit bei der WELT gehen.

Publizistik und Politikwissenschaft

Im Alter von drei Jahren kam Salah-Eldin nach Deutschland. Ihre Familie stammt aus dem Sudan. "Ich spüre eine starke Verbundenheit zu dem Land. Ich bin stolz auf meine Herkunft." Sie wuchs in Göttingen auf, dort machte sie ihr Abitur und entwickelte eine starke Affinität zu Computern. "Ich erinnere mich noch an eine Zeit ohne Internet und später an unseren ersten ISDN-Anschluss zu Hause. Damals konnten wir entweder telefonieren oder im Netz surfen." Natürlich wollte die Tochter surfen, die Eltern eher telefonieren. Das barg Konfliktpotenzial. "Ich habe die Evolution des Mediums hautnah miterlebt", meint Salah-Eldin lächelnd.

Sie wollte Publizistik und Politikwissenschaft studieren. In Göttingen ging das nicht, also schaute sie sich um. Sie stellte fest, dass sie sich an der JGU online bewerben konnte. "Ich absolvierte damals gerade ein Praktikum bei der UNO in New York. Da schien mir eine Stadt wie Mainz als Kontrast sehr attraktiv: gemütlich, nicht zu groß und gut erreichbar. Ich wohnte auf dem Hartenberg und in WGs in der Neustadt." Die Leute gefielen ihr. "Ich habe immer noch viele Kontakte. Vor einem Jahr war ich das letzte Mal zu Besuch."

Aus ihrem Studium habe sie viel mitgenommen, bekräftigt Salah-Eldin. Die Liste der Dozenten, von denen sie viel gelernt hat, ist lang: Prof. Dr. Hans Matthias Kepplinger vom Institut für Publizistik sowie Prof. Dr. Kai Arzheimer und Prof. Dr. Jürgen W. Falter vom Institut für Politikwissenschaft sind die ersten, die sie nennt. Aus der Publizistik hebt sie Dr. Nikolaus Jackob hervor. "Er war damals noch wissenschaftlicher Mitarbeiter." Ihre Abschlussarbeit wurde von Prof. Dr. Erich Lamp betreut. Ein Seminar bei Prof. Dr. Heinz-Werner Nienstedt hält sie in ganz besonderer Erinnerung: "Das war 2007. Wir sprachen über YouTube, das erst zwei Jahre zuvor gegründet worden war. Das war damals noch eine blutjunge Plattform."

Über Twitter zur Karriere

Parallel zum Studium absolvierte Salah-Eldin Praktika beim ZDF und bei CNN, bei RTL und beim SPIEGEL. "Am 11. Juli 2012 machte ich meinen Abschluss. Ich wusste vorher schon, dass es für mich nie der klassische Reporterberuf werden würde." Salah-Eldin hatte allerdings keine genaue Vorstellung, was es stattdessen sein sollte: "Ich hatte das Gefühl, dass es meinen Traumjob noch gar nicht gibt." Also entschied sie sich erst einmal für ein Traineeship als Kommunikationsberaterin bei einer Agentur. "Dort erfuhr ich viel über interdisziplinäres Arbeiten. Meine Aufgaben waren sehr vielschichtig, ich lernte Multitasking." In dieser Zeit wurden auch die sozialen Medien ihr täglich Brot.

Salah-Eldin twitterte lebhaft und engagiert zu politischen Themen. Dadurch wurde man 2014 bei der WELT auf sie aufmerksam. "Es kam die Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte, als Social-Media-Redakteurin in Berlin zu arbeiten." Sie ergriff die Chance. In den ersten Jahren half sie unter anderem, den besonderen Ton zu entwickeln, mit dem der Medienriese auf pöbelnde Anwürfe im Netz reagiert: Ironie und Humor sorgten damals dafür, dass die Zahl der üblen Kommentare drastisch sank.

Das allerdings ist schon wieder Vergangenheit. Seit einigen Monaten ist sie als Direktorin für digitale Innovation der WELT-Chefredaktion zugeordnet. "Ich kenne mich sowohl im Journalismus als auch im Social-Media-Bereich aus, ich kenne die inhaltliche und die technische Seite, dadurch kann ich eine Brückenrolle übernehmen. Ich glaube, dass solche Jobs in Zukunft hoch relevant sein werden, Jobs, die es vor fünf Jahren noch gar nicht gab."

Salah-Eldin erlebte die frühe Evolution der digitalen Welt, nun gestaltet sie die Evolution der WELT an entscheidender Position mit. Davon erzählt sie mit viel Enthusiasmus, darauf kommt sie immer wieder zurück. "Unsere Arbeit hier ist von ständigem Wandel geprägt, das ist ein Kern unserer Binnenkultur." Der konsequente Weg ins Internet habe sich ausgezahlt. "Gerade bekamen wir die Zahlen für vorigen Monat herein: Noch nie haben wir mit welt.de so viele Menschen erreicht, noch nie haben so viele Menschen unser Angebot über Smartphones genutzt."

Absage an den Elfenbeinturm

Das liege auch am regen Austausch mit den Nutzerinnen und Nutzern. "Wir halten nichts davon, uns im Elfenbeinturm zu verschanzen. Wir sorgen dafür, dass unsere Journalistinnen und Journalisten mit der Leserschaft in den Dialog treten, und versuchen, alle Veränderungen aus der Perspektive der Nutzer zu sehen."

Mit 33 Jahren steht Salah-Eldin beinahe noch am Anfang ihrer Karriere, doch sie macht ganz den Eindruck, als sei sie angekommen. Der ständige Wandel liegt ihr. Hier hat sie ihn gefunden.