Wasserforschung mit internationaler Relevanz

4. April 2024

Grundwasser ist ein dynamisches und vielfach verknüpftes System. An der JGU arbeitet Prof. Dr. Robert Reinecke an digitalen Modellierungen globaler Wasserressourcen. Seine Forschung fließt auch in den internationalen Wasserbericht der Vereinten Nationen mit ein, der jährlich von der WMO, der World Meteorological Organization, herausgegeben wird.

"Ohne Wasser zu verstehen, können wir auch den Klimawandel nicht verstehen," sagt Prof. Dr. Robert Reinecke. Die Wechselwirkung zwischen Wasser und Klima ist nur eine Facette des Forschungsthemas weltweites Grundwasservorkommen, mit dem sich der 35-jährige Wissenschaftler am Geographischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) auseinandersetzt. Denn Wasser ist Vielfalt. Das betrifft seine Erscheinungsformen und Vorkommen, seine Bedeutung als Lebensraum und Ressource für ganz unterschiedliche Ökosysteme sowie seine Rolle als Energiequelle, Infrastruktur, Kulturphänomen und anderes mehr. Und genau diese Vielfalt fasziniert den Wissenschaftler, der seit 2023 an der JGU Juniorprofessor für Erdsystemmodellierung ist.

Robert Reinecke ist seit 2023 Juniorprofessor für Erdsystemmodellierung an der JGU. (Foto: Peter Thomas)
Robert Reinecke ist seit 2023 Juniorprofessor für Erdsystemmodellierung an der JGU. (Foto: Peter Thomas)

 

Der jährliche Weltwassertag der Vereinten Nationen am 22. März hat gerade erst wieder die weltweite Rolle des Wassers öffentlich hervorgehoben. Dieser Tag wird bereits seit 1993 ausgerichtet und steht jährlich unter einem anderen Motto. In diesem Jahr stand die politische Dimension von Wasser im Mittelpunkt, also die Bedeutung von Wasser für ein friedliches Zusammenleben auf der Erde: "Water for Peace". Ein jüngeres UN-Projekt mit erheblicher politischer und wissenschaftlicher Tragweite ist der "State of Global Water Resources Report" der World Meteorological Organization (WMO). Er erschien 2022 erstmals für das Jahr 2021 und wird seither jährlich fortgeschrieben. Prof. Dr. Robert Reinecke hat bereits an den beiden ersten Berichten maßgeblich mitgearbeitet und ist derzeit an der dritten Auflage beteiligt.

Weltweite Klimabeobachtungen

Der Weltwasserbericht betrachtet jeweils die globalen Wasservorkommen und ihre dynamische Entwicklung mit einem Beobachtungszeitraum von 30 Jahren bis zum Jahr vor der Publikation. Dabei geht es keineswegs nur um einen deskriptiven Ansatz. Denn die UN-Organisation nimmt ihre Aufgabe ausgesprochen ernst, weltweite Klimabeobachtungen nicht nur zusammenzutragen, sondern sie auch kritisch zu bewerten. Entsprechend klar fallen die Aussagen zur aktuellen Situation aus: "Der Wasserkreislauf gerät aufgrund des Klimawandels und menschlicher Aktivitäten aus dem Gleichgewicht", hieß es im vergangenen Jahr zum zweiten Bericht.

Die WMO ist eine der ältesten UN-Organisationen überhaupt. Ihre Einrichtung in der heutigen Form wurde 1947 beschlossen und 1950 umgesetzt, die Wurzeln reichen sogar bis zur Gründung der International Meteorological Organization in den 1870er-Jahren zurück. Der Kontakt des Mainzer Wissenschaftlers zur WMO ist bereits vor vier Jahren entstanden. "Das hat einerseits mit meiner Arbeit für das Internationale Zentrum für Wasserressourcen und Globalen Wandel der UNESCO in Koblenz zu tun, andererseits mit der guten Vernetzung in der globalen Modellierungs-Community. Denn solche Berichte kann man ohne digitale Modellierung gar nicht umsetzen", erläutert Reinecke. Die wohl wichtigsten Werkzeuge des in Mainz geborenen und in der Region aufgewachsenen Wissenschaftlers sind denn auch Software und die mächtigen Serverschränke des Instituts.

"Ohne Wasser zu verstehen, können wir auch den Klimawandel nicht verstehen," so Prof. Dr. Robert Reinecke. (Foto: Peter Thomas)
"Ohne Wasser zu verstehen, können wir auch den Klimawandel nicht verstehen," betont Prof. Dr. Robert Reinecke. (Foto: Peter Thomas)

 

Die Grundlage sämtlicher Modelle sind auf klassischem Weg erhobene Daten und Satellitendaten. "Wir messen zwar nicht selbst, aber unsere Modelle funktionieren mit den Ergebnissen von Messungen", erklärt Reinecke. Die Konstruktion des digitalen Modells beginnt mit einem Wahrnehmungsmodell, dann werden die darin definierten Prozesse in mathematische Formeln umgesetzt. Während der Arbeit an diesen komplexen Systemen gleichen die Forschenden regelmäßig ab, ob die Ergebnisse des Modells mit Beobachtungen aus der Natur übereinstimmen. So entstehen mächtige Werkzeuge, wie eben das Modell der Grundwasserressourcen des Planeten, mit dem Reinecke arbeitet.

Digitale Labore

Solche globalen Modelle haben die Herausforderung, auf der einen Seite die weltweiten hydrologischen Zusammenhänge möglichst umfassend darzustellen, ohne jedoch auf der anderen Seite zu sehr ins Detail zu gehen. Denn die Handhabbarkeit der gewaltigen Datenmengen ist wichtig, erklärt der Wissenschaftler. Schließlich soll das Modell es erlauben, künftige klimatische oder ökologische Auswirkungen zu simulieren und so Erkenntnisse zu gewinnen. Für Robert Reinecke sind die Modelle angesichts ihrer Komplexität "vor allem digitale Labore", aber "weder Wahrsagekugeln noch Prognosemaschinen". Die geografische Feldforschung beispielsweise werde auch künftig nicht komplett durch die digitalen Modellierungen ersetzt werden. Wie wichtig die mithilfe der digitalen Methode getroffenen Voraussagen sind, zeigt der Weltwasserbericht der UN.

Das Thema Wasser begleitet Reinecke schon lange, auch privat. Der begeisterte Wassersportler ist regelmäßig mit dem Schiff unterwegs, sei es in den Niederlanden oder Schottland. 2024 will er in Norwegen die Segel setzen. Nach dem Informatikstudium in Darmstadt hat er in Frankfurt am Main promoviert und sich im Rahmen seiner Dissertation intensiv mit der digitalen Modellierung von Wasser beschäftigt. Dann folgten Stationen in Kalifornien und im ebenso trockenen Brandenburg. Das sensibilisierte den jungen Wissenschaftler ganz direkt für die Grundwasser-Übernutzung. "Kalifornien steht besonders für dieses Phänomen", erklärt Reinecke. "Ich habe dort mit Farmern gesprochen, für deren nächste Generation kein Grundwasser mehr übrig bleibt."

In der Lehre setzt Robert Reinecke nicht nur auf die digitale Dimension der Forschung zum Wasser: "Ich bin ein großer Fan von Karten – auch auf Papier." (Foto: Peter Thomas)
In der Lehre setzt Robert Reinecke nicht nur auf die digitale Dimension der Forschung zum Wasser: "Ich bin ein großer Fan von Karten – auch auf Papier." (Foto: Peter Thomas)

 

Kalifornien ist weit weg von Deutschland, aber die doppelte Herausforderung der Übernutzung von Grundwasserressourcen und der Klimaveränderung ist es nicht. Derzeit gebe es zwar viele Medienberichte, dass nach einem niederschlagsreichen Winter die Grundwasserstände wieder wachsen, so Reinecke. Doch dieses Phänomen als Entwarnung zu sehen, sei langfristig wohl falsch. Denn die Tendenz des Klimas in Deutschland gehe in Richtung heißer und trockener Sommer. Einzelne Starkregenereignisse in diesen Phasen würden die Grundwasserspeicher nicht weit genug auffüllen. "Deshalb müssen wir uns in Zukunft auch im traditionell wasserreichen Deutschland Gedanken machen, wie wir mit Wasser umgehen", gibt Reinecke zu bedenken.

Ein komplexes System

Das beginnt für den Experten für Erdsystemmodellierung schon beim Verständnis, was Grundwasser eigentlich ist. "Viele Menschen haben die Vorstellung, dass Grundwasser eine Art unterirdischer Fluss ist, den man anzapfen kann", so der Wissenschaftler. Stattdessen müsse man sich es als komplexes System aus Speichern und Strömungen vorstellen, das wiederum mit vielen anderen Systemen zusammenhängt. Diese hydrologische Vernetzung ist Grundlage dafür, dass ein Land wie Deutschland 70 Prozent seines Trinkwasserbedarfs aus Grundwasser decken kann – und dass in heißen Sommern die unterirdischen Vorkommen dazu beitragen, dass überhaupt Wasser in Flüssen ist.

Das öffentliche Verständnis für Grundwasser und seine Zusammenhänge zu stärken, reicht für Prof. Dr. Robert Reinecke bis hin zu den kulturellen Vorstellungen von Wasser. "Das Ressourcendenken beispielsweise ist sehr menschlich, dabei ist Grundwasser auch ein Lebensraum", sagt der Wissenschaftler. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema ist Reinecke zuversichtlich: Weltweit steige das Interesse für Hydrologie, die Möglichkeiten der Modellierung würden zunehmend erkannt. Allerdings sei eine differenzierte Kommunikation zur Technologie wichtig, also darüber zu sprechen, "was die Computermodelle können, und wo sie an ihre Grenzen kommen".

In der Lehre an der JGU setzt Reinecke denn auch nicht nur auf die digitale Dimension der Forschung zum Wasser, sondern zudem auf tradierte Darstellungsformen: "Ich bin ein großer Fan von Karten – auch auf Papier", sagt er über seine Vorlesung zur Kartografie.

Text: Peter Thomas