Wenn der Discounter nicht weiter weiß

9. Juni 2015

Mainzer Studierende beraten Unternehmen. Sie unterstützen beim Marketing, beim Management oder beim Controlling, sie erstellen Analysen und bieten Workshops an. Bei der studentischen Unternehmensberatung berater e.V. an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) trifft Forschung auf Praxis. Studierende verschiedenster Fachrichtungen wagen einen Blick in den Berufsalltag, die Unternehmen profitieren von frischen, unkonventionellen Ansätzen.

Die Personalabteilung eines großen Lebensmitteldiscounters meldete sich. Für eines seiner zentralen Lager suchte das Unternehmen eine Verkaufsleiterin oder einen Verkaufsleiter. Die Ausschreibung lief, doch das Interesse schien eher mäßig. "Dabei war es ein namhaftes Unternehmen, die Vergütung war hoch und die Stelle anspruchsvoll", erzählt Alex Eida, stellvertretender Vorsitzender von berater e.V., der studentischen Unternehmensberatung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Sie wollten nun wissen, wie sie die Verkaufsleiterstelle besser an der Hochschule bewerben können, und fragten an, ob wir an dem Projekt interessiert wären."

"Klar waren wir interessiert", sagt Adam Simon, Vorsitzender von berater e.V. Die beiden Studierenden sitzen in einem kleinen Raum im Haus Recht und Wirtschaft auf dem Gutenberg-Campus. "Wir teilen uns das Büro mit einer anderen Initiative", erzählt Simon. Viel Platz ist nicht, aber es reicht für ein Gespräch.

Studierende im Spagat

An der Wand hängen die Insignien des Vereins: ein Lenkrad für den Chef, ein Armaturenbrett mit Tacho für den Stellvertreter und ein Schatzkästchen für den Finanzvorstand. Unterm Tisch stapeln sich Wasserflaschen, obendrauf steht ein PC. Das sieht schon alles sehr nach studentischem Verein aus. Auch Eida und Simon kommen wie typische Studenten daher.

Etwas anders wirkt das auf der Website von berater e.V. Da tragen die Damen Kostüm oder Sakko, die Herren schicke Anzüge mit Schlips. www.berater-mainz.de bietet klares, nüchternes Design und wirkt hochprofessionell. So muss Unternehmensberatung aussehen.

"Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat", meint Simon. "Für Firmenvertreter und andere potenzielle Auftraggeber wollen wir schon seriös rüberkommen. Auf der anderen Seite sind wir immer noch ein studentischer Verein. Wir wollen auch weggehen und feiern. Das ist der Spagat."

Rat für den Discounter

Für den Lebensmitteldiscounter stellte berater e.V. ein dreiköpfiges Team zusammen. Jeder im Verein konnte sich bewerben. Erfahrung und Fachkompetenz zählten. "Mit einem Chemiker und einem Mathematiker hatten wir zwei herausragende Analytiker an Bord, dazu kam ich als Wirtschaftswissenschaftler", erzählt Simon. "Wir starteten eine große Umfrage, wie der Lebensmitteldiscounter auf Studierende wirkt. Wir fragten auch, was generell die Ansprüche an einen Job sind."

"Kurzfristig haben wir unserem Auftraggeber geraten, seine Website zu überarbeiten", sagt Eida. "Die Ausschreibung richtete sich an Bachelorabsolventen und da passten Sprüche wie 'Rein in die Praxis, Hands on bei …' nicht so recht. Das war die falsche Ebene, das musste seriöser und informativer werden."

In einer Benchmark-Analyse untersuchte das Trio, welche Discounter ähnliche Stellen anbieten und was diese Unternehmen eventuell besser machen. "Einer schnitt dabei sehr gut ab. Dessen Website war zum Beispiel hervorragend aufgebaut, anders als bei unserem Auftraggeber."

Juristen treffen Soziologen

Nach einem Projektbericht und einer Präsentation der Ergebnisse war der Auftraggeber ausgesprochen zufrieden. Auch die Rechnung fiel entschieden niedriger aus als im Bereich der Unternehmensberatung üblich. "Genaue Zahlen nennen wir ungern", meint Simon sehr professionell. "Wir werden auf keinen Fall reich davon."

Seit 1999 gibt es die studentische Unternehmensberatung berater e.V. an der JGU. Die Mainzer waren zugleich Mitbegründer des Dachverbands Junior Consulting Network, der mittlerweile 28 Mitglieder an deutschen Hochschulen zählt. "Unser Stärke ist der etwas andere Blick", meint Eida, "die studentische Sicht. Außerdem haben wir Mitglieder aus den verschiedensten Fachbereichen. Neben Wirtschaftswissenschaftlern sind Juristen dabei, Psychologen, Germanisten, Soziologen. Und ein Doktorand der Physik leitet unser Marketing." Interdisziplinarität ist eine der großen Qualitäten von berater e.V.

Der kleine Vereinsraum sieht zwar nach einem kleinen Verein aus, doch das täuscht. "Bei unseren wöchentlichen Treffen bekommen wir schon einen Hörsaal voll", sagt Eida. An die 60 Studierende finden sich jedes Mal ein, insgesamt erreicht der Verein im Jahr rund 140 Interessierte auf dem Campus. Der harte Kern besteht aus 45 bis 50 Mitgliedern. "Wir bieten die verschiedensten Fortbildungen an, mal intern, mal mit externen Fachleuten", sagt Simon. "Diese Schulungen sind gerade im Moment sehr wichtig, weil wir viele Erstsemester dazubekommen haben."

Berater beim Benefiz

Ein Kuratorium und ein Beirat geben Hilfestellung. Hier finden sich sowohl Universitätsprofessorinnen und -professoren als auch Akteure aus der Wirtschaft. "Wir können uns zwar auch in die Bibliothek setzen und in ein Thema einlesen, aber es hilft schon sehr, einfach mal jemanden fragen zu können, der sich richtig gut auskennt", sagt Eida.

berater e.V. ist in vielen Bereichen Ansprechpartner. Die Studierenden beraten Mittelständler und Start-ups, öffentliche Einrichtungen und Konzerne in Sachen Finanzen oder Marketing, Projektmanagement oder Controlling. An die 75 Aufträge sind mittlerweile erledigt. "Wir haben durchaus noch Kapazitäten", meint Simon.

Unternehmensberatung ist aber nicht alles. berater e.V. ist in vielen Bereichen unterwegs. Den diesjährigen Gutenberg-Marathon etwa wollen die Mitglieder zu einem Spendenlauf für das Wiesbadener Kinderhospiz Bärenherz nutzen. "Und in der Martinus-Schule in Mainz bieten wir jedes Jahr ein Bewerbungstraining an", sagt Eida. "Das wird sehr gut angenommen."

Eine Konkurrenz für die herkömmliche Unternehmensberatung will berater e.V. nicht sein. "Wir sind einfach eine Facette im Angebot." Zudem wollen die Studierenden ja nicht nur beraten. Weggehen und feiern – das gehört auch dazu.