Wer nicht zockt, bleibt dumm!?

22. Oktober 2014

Gemeinsam mit ihren Studierenden luden Dr. Jasmin Bastian und Dr. Lena Groß von der AG Medienpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zum Public Gaming Event: Computerspieler stellten ihre Lieblingsspiele vor, um dann mit Fachleuten und dem Publikum zu diskutieren. Das Projekt "Wer nicht zockt, bleibt dumm!? – Digitale Spiele zum Anfassen und Erleben" will so einen Dialog anstoßen zu den Chancen und Risiken von Computerspielen und Mobile Games.

Zwei Roboter tasten sich durch ein Labyrinth aus Räumen. Orange heißt der eine, Blue der andere. Ein wenig sehen sie aus wie Eier auf Beinen. Sie versuchen aus der Forschungseinrichtung einer künstlichen Intelligenz zu entfliehen, die die Bemühungen der beiden regelmäßig mit sarkastischen Bemerkungen kommentiert. Orange und Blue starten in getrennten Räumen, müssen sich aber gegenseitig helfen, um voranzukommen.

"Dieses Spiel, Portal II, wird aus der Ego-Perspektive gespielt", erzählt Robert-André Vettel, der Orange lenkt. "Der Computerbildschirm zeigt also, was unsere Roboter sehen. Mit unseren Portalgeräten können wir Portale erzeugen. Diese Portale nutzen wir, um Rätsel zu lösen und Wege zu finden, wie wir aus einem Bereich herauskommen."

Odyssee der Roboter

Orange und Blue stapfen durch eine Welt aus weißen und schwarzen Wänden, eine Welt voller Hinweise, die mehr oder weniger versteckt daherkommen. Was bedeutet dieser Knopf da, was die gelb gestrichelte Linie? Was sollen sie mit dem Würfel machen, der sich aus der Decke senkt? "Das Spiel verlangt logisches Denken, außerdem hat es einen großartigen Humor", sagt Philipp Schumacher alias Blue.

Schumacher und Vettel zeigen im Kinoraum des Landesfilmdiensts Rheinland-Pfalz, wie das beliebte Computerspiel Portal II funktioniert. Auf der großen Leinwand geht es voran im Labyrinth – oder auch nicht. Gerade ist Blue in ein Säurebad gefallen.

Das Public Gaming Event ist Teil des Projekts "Wer nicht zockt, bleibt dumm!? – Digitale Spiele zum Anfassen und Erleben", das Dr. Lena Groß und Dr. Jasmin Bastian von der AG Medienpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit einer Gruppe Studierender aus der Taufe gehoben haben. Gemeinsam stellten sie ihre Idee der Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD) vor und überzeugten damit beim Hochschulwettbewerb "Mehr als Bits und Bytes – Nachwuchswissenschaftler kommunizieren ihre Arbeit" ein Preisgeld von 10.000 Euro, das nun hilft, ihr Projekt zu finanzieren.

100 Gäste beim Gaming Event

An die 100 Neugierige sind gekommen, darunter Spieler und Eltern, Fachleute und eine Reihe Journalisten. Die Moderation überlassen Bastian und Groß ihren Studierenden. Vera Cwierz und Tim Riplinger präsentieren unter anderem ein paar Zahlen: 80 Prozent der 12- bis 19-Jährigen besitzen einen eigenen Computer. Damit sind sie im Durchschnitt 179 Minuten am Tag online. Fürs Spielen gehen wochentags 76 Minuten, samstags und sonntags jeweils 101 Minuten drauf.

Auch ein paar gängige Schlagzeilen haben die beiden parat: "Computerspiele machen fett, dumm und aggressiv" ist zu lesen – oder eben: "Schlauer durch Computerspiele". Daraus wird erst mal niemand schlau und auch die Wissenschaft hat nicht wirklich umfassende und schlüssige Ergebnisse parat. Hier setzt das Public Gaming Event an. Es soll erste Eindrücke und Kenntnisse zu Computerspielen vermitteln und Gruppen zusammenbringen, die sonst nicht zueinander finden.

Als zweites Spiel steht Grand Theft Auto V auf dem Programm, ein höchst umstrittenes Computerspiel. Hier kann der Spieler praktisch alles machen: eine Bank ausrauben, ein Auto explodieren lassen oder jemanden ermorden. Ein digital erschaffenes Los Angeles liefert den schier unerschöpflichen und atemberaubenden Hintergrund dazu.

Legal, illegal, ironisch

Joshua Kullmann ist einer der beiden Spieler, die GTA V vorstellen. "Die Möglichkeiten sind grenzenlos", erzählt er. "Man kann auch Immobilien kaufen und so ganz legal Geld verdienen. Es gibt eigene Fernseh- und Radiokanäle. Auch die kann man kaufen, wenn man genug Geld hat. Und man wird dick, wenn man sehr viel isst und keinen Sport treibt." Für Kullmann sehr wichtig: "GTA lädt zum ironischen Blick auf die Gesellschaft ein, das ist auf jeder Ebene zu spüren."

Tatsächlich ernten die vorwiegend kriminellen Eskapaden der GTA-Charaktere reichlich Lacher im Publikum – aber besonders an diesem Spiel entzündet sich auch die anschließende Diskussion.

Die Medienpädagogin Angelika Beranek erzählt von ihren Erfahrungen im Neu-Isenburger Infocafe: "GTA ist in der dritten und vierten Klasse auf Platz eins und zwei der beliebtesten Spiele." Dabei ist das Spiel erst ab 18 Jahren freigegeben. "Die Kids erzählen ihren Eltern gern, die 18 bedeute, dass man es mit 18 Spielern spielen kann."

Erfolgreiche Premiere

Michael Dreier von der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz konstatiert: "Es ist ein Reiz, Dinge explodieren zu lassen." Wenn ein Computerspiel so frei geschaltet sei, werde die Gewalt natürlich zum Thema, doch sie sei nur ein Aspekt. "Es geht vor allem darum, Dinge zu probieren."

Ungewöhnlich lebhaft wird der Wortwechsel zwischen den Fachleuten, dem Publikum und den Spielern. Ein besorgter Vater möchte Tipps, wie er mit seinen Sprösslingen in Sachen Computerspiel umgehen soll. GTA kommt für ihn gar nicht in Frage. Ein Spieler hebt hervor, wie geordnet es in den Communitys rund um Computerspiele zugeht: "Spieler, die sich schlecht verhalten, werden ausgeschlossen." Jemand anderes meint: "Durch Computerspiele habe ich Englisch gelernt."

Das erste Public Gaming Event des Projekts "Wer nicht zockt, bleibt dumm!?" gibt durchaus Antworten auf brennende Fragen rund um digitale Spiele, vor allem aber wirft es Fragen auf und öffnet Türen zu Welten, die manch einem bis dahin völlig fremd waren. Damit haben Bastian, Groß und die Studierenden der JGU ihr Ziel erreicht. Der Abend ist rundum gelungen.