9. November 2012
Es ging um gut ausgestattete Erpel, faule Gene und warme Motoren, aber auch um Statistik, Epigenetik und Politiktheorien: Beim 8. Mainzer Science Slam präsentierten drei Vertreter der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und ein Transporttechnologe aus Russland ihre Fachdisziplinen. Es galt, mit Witz und pointiertem Vortrag die Gunst des Publikums zu gewinnen.
Es ist kalt in Tjumen, der Hautpstadt Westsibiriens. "Wir reden von einer knackenden Kälte", erzählt Anton Yarkin. "Bei minus 50 Grad Lufttemperatur gefrieren die Wassertropfen beim Atmen sehr schnell. Das kracht dann – als würde Papier zerknüllt." Gerade in solch kalten Gebieten finden sich ungeheure Rohstoffvorkommen. Da gibt es was zu holen. Doch leider wollen schwere Maschinen nicht so recht bei dieser Witterung. Also ließ sich der russische Transporttechnologe Yarkin etwas einfallen ...
Der 8. Mainzer Science Slam bietet Wissenschaft im 10-Minuten-Takt, witzig und raffiniert serviert. Das kommt an. Vor dem Capitol Filmtheater drängen sich die frierenden Neugierigen. Nicht alle haben Karten reserviert und haben leider Pech, denn der Science Slam war schon am Vortag ausverkauft.
Rote Boxhandschuhe für den Sieger
Drinnen machen sich die jungen Wissenschaftler warm. Wie beim Poetry Slam stellen sie sich dem Publikum. Doch während sonst Autoren mit mehr oder weniger gereimter Poesie um die Publikumsgunst buhlen, dreht sich hier alles um Maschinenbau und Molekulare Biologie, um Publizistik und Politikwissenschaft. Drei junge Wissenschaftler der JGU präsentieren neben Yarkin ihr Forschungsgebiet und hoffen auf den kräftigsten Applaus, denn der bestimmt den Sieger. Als Preis winkt ein Paar grellroter Boxhandschuhe.
Doch bevor es losgeht, darf einer außer Konkurrenz demonstrieren, wie selbst ein scheinbar graues Thema Farbe bekommen kann. Dr. Malte Persike bringt den Studierenden am Psychologischen Institut der JGU die Statistik nahe. Und das gelingt ihm so gut, dass er dafür den mit 50.000 Euro dotierten Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre bekam.
Schreckliche Statistik vom Psychologen
Statistik also. Persike schaut in den Saal. "Ich kenne diese leeren Gesichter aus meiner Veranstaltung." Er stellt die Frage aller Fragen: "Wann ist etwas groß?" Das interessiere zumindest Jungen in einem gewissen Alter, scherzt Persike. "Wann ist eine Zahl groß?" Mädchen, die das nicht so interessiert, bietet er eine Alternative. "Wann ist etwas klein? Wann ist eine Zahl klein?"
"Die Argentinische Ruderente und Statistik fürs Leben" nennt Persike seinen Kurzvortrag. "Klaus ist eine Argentinische Ruderente. An sich ist so eine Ruderente nichts Besonderes." Für eines allerdings ist sie bekannt: "Für ihr gigantisches Gemächt."
Längst sind die Gesichter im Saal nicht mehr leer. So funktioniert die Verführung zur Statistik. Bald geht es um Skalen, Häufigkeitsverteilungen und Datensätze. Aber wen schreckt das noch? Mit Erpel Klaus ist alles schnell erklärt.
Starthilfe in die Welt des Internets
Dann beginnt der eigentliche Slam. Stefan Schlag vom Institut für Politikwissenschaft erzählt "Von der Bürokratie, der Mafia und Agenten". Theoretische Ansätze sind seine Spezialität. "Es geht darum, wie wir unsere Gesellschaft organisieren." Dabei wundert er sich: "Warum passiert das, was alle gut finden, so selten – und ist dann trotzdem zu teuer?"
Schlag redet von Politikern und ihren ausführenden Untergebenen. Das macht er ganz nett, aber er schafft es nicht so recht, sein Thema in zehn Minuten zu packen. Irgendwie fehlt ein richtiger Schluss. Es ist nicht ganz rund.
Kristoffer Braun vom Institut für Publizistik schwächelt ebenfalls in der Zielgeraden. Ihm geht es um "Digital Natives vs. Digital Immigrants – Kenntnisse und Lernwünsche älterer Onliner". Braun ist Mitbegründer von Starthilfe50.de, einem Projekt, das älteren Menschen das Internet näherbringt. Er hat viel zu erzählen, zu Beginn ganz pointiert, verliert sich dann aber in allerlei Details. Das ist zwar informativ, will aber nicht so ganz in den Slam passen.
Nachhilfe für die Gene
Jonathan Byrne dagegen, ein Dubliner in Diensten des Instituts für Molekulare Biologie (IMB) an der JGU, scheint ganz in seinem Element. Er beschäftigt sich mit "The Epigenetics of Aging". Byrne erzählt von den Würmern, an denen er forscht, seinen "little buggers". Als Cartoon-Figuren begleiten sie auf der Leinwand den Vortrag.
Das Leben des Menschen ist wie eine Fahrt auf einen Berg. Alle Energie steckt er in den Aufstieg, da ist er fit. Auf dem Gipfel angekommen, pflanzt er sich fort und gibt damit seine Gene weiter. "Das ist der Sinn des Lebens. Wenn wir geliefert haben, hört der Körper auf sich zu kümmern." Die Gene, die so vieles kontrollieren, vergessen im alternden Menschen ihre Aufgaben. Er hat ja seinen biologischen Zweck erfüllt. Hier setzen Byrne und seine Kollegen vom IMB an. "We send the genes back to school. We teach them what they are supposed to do." Die Gene bekommen Nachhilfe.
Baumaschinen in der Kälte
Byrne ist der Favorit des Abends – bis Yarkin ihn aussticht. Vor knapp zwei Monaten glänzte er beim Science Slam in Moskau, nun spricht er in Mainz. "Bis in die Tiefen Russlands: Spezielles Verfahren in extremen Klimazonen" titelt der Ingenieur aus Sibirien seine zehn Minuten Sprechzeit. "Es gibt verschiedene Dinge, die man mit Baumaschinen machen kann", meint Yarkin, und illustriert das umgehend auf der Leinwand: Eine Blondine im Bikini schmiegt sich an einen Bagger.
Man kann mit solch einer Maschine aber auch Rohstoffe im kalten Sibirien fördern. Nur muss sie dafür kältefit sein. "Was machen wir bei Kälte? Warme Sachen anziehen. Man kann aber auch tanzen. Das ist zurzeit aber in Russland ein gefährliches Geschäft." Das Publikum versteht die Anspielung. Applaus. So verpackt Yarkin die Methoden, mit denen Motoren gegen die Kälte gerüstet werden. Ummantelungen halten Öl geschmeidig, Motorabluft wärmt das Getriebe.
Forschung als Unterhaltung
Für dieses an sich sperrige Thema erntet der Russe letztlich den kräftigsten Applaus. Nach gut zwei Stunden ist er der Sieger des Abends. Die roten Boxhandschuhe gehören nun ihm. Doch schon dieser nicht sonderlich begehrenswerte Preis zeigt: Ums Siegen geht es nur bedingt beim Science Slam. Wissenschaft soll unterhalten, witzig sein und Spaß machen.
Persike, Byrne und Yarkin haben gezeigt, wie das geht, Braun und Schlag sind auf einem guten Weg. Gewonnen hat auf jeden Fall das Publikum, das sich sonst vielleicht nicht unbedingt mit solchen Dingen beschäftigt. Es war viel zu erfahren über gut ausgestattete Enten, faule Gene und warme Motoren.