1. Juli 2014
Der Name klingt etwas sperrig, aber dahinter steckt viel Dynamik: Der Verein für Wirtschaftspsychologie am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) bringt Forschung und Wirtschaft zusammen. Vieles hat er schon erreicht in den 16 Jahren seines Bestehens und doch setzen sich seine Mitglieder immer neue Ziele.
Die Pinnwand im Besprechungsraum trägt deutlich die Spuren der letzten Vorstandssitzung. Pläne und Projekte sind auf verschiedenfarbigen Kärtchen notiert. Ein Mentoringprogramm steht auf der Wunschliste. Vorträge, Lehrveranstaltungen, einen Stammtisch und Exkursionen gibt es längst, aber die Vernetzung mit der JGU, die könnte noch intensiviert werden. Vieles mehr ist da noch zu lesen: Förderpreise, Praktikantenplätze, Alumnigruppe ...
Schon diese Tafel macht klar: Der Förderverein für Wirtschaftspsychologie am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist ausgesprochen engagiert. Gerade erst hat sich der Verein neu aufgestellt. Prof. Dr. Jurij Ryschka wurde als Vorstandsvorsitzender gewählt. "Zuerst einmal haben wir unsere veraltete Website neu gestaltet", erwähnt der Diplompsychologe ein Detail. "Ein guter Auftritt im Internet war mir wichtig."
Start mit Axel Mattenklott
Ryschka hat selbst an der JGU studiert und promoviert. Danach gründete er eine Firma für Organisationsentwicklung. Der Universität fühlt er sich nach wie vor verbunden. Diverse Lehraufträge lockten ihn zurück in die Hörsäle. Im Grunde verkörpert er mit seiner Karriere ein Ziel des Vereins: Die Mitglieder wollen den Austausch von Wissenschaft und Praxis fördern, sie wollen eine Brücke schlagen zwischen Hochschule und Berufswelt.
Prof. Dr. Thomas Rigotti arbeitet mit im Vorstand des Vereins. Am Psychologischen Institut der JGU lehrt er Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. Er ist noch recht neu in Mainz. Zusammen erklären die beiden, worum es ihnen vor allem geht bei der Arbeit des Fördervereins – und tauchen kurz ein in die Geschichte des Vereins.
"Es ging los mit Axel Mattenklott", erzählt Ryschka. "Er brachte die Wirtschaftspsychologie nach Mainz." Streng genommen war Mattenklott Sozialpsychologe. Doch unter seiner Regie entwickelte sich an der JGU eine Wirtschaftspsychologie mit eigenem Charakter. "Er holte immer wieder Leute aus der Praxis in die Vorlesungen. Er schuf damit Netzwerke. Daraus entstand 1998 die Idee: Lasst uns doch einen Verein gründen."
Verein hilft auf vielen Ebenen
Mittlerweile zählt der Förderverein rund 100 Mitglieder – und Mattenklotts Ideale bleiben auch nach seiner Emeritierung im Jahr 2009 aktuell, ob an der Universität oder im Verein. "Der Praxisbezug ist uns sehr wichtig", stellt Rigotti klar. "Die Wirtschaftspsychologie ist ein angewandtes Forschungsgebiet. Wir brauchen die Praxis für unsere Arbeit. Es ist zum Beispiel wichtig, dass Studierende für ihre Forschung Zugang zu Unternehmen bekommen. Das ist manchmal ein hartes Brot, da können wir helfen."
Auf vielen Ebenen unterstützt der Förderverein die Lehre an der JGU. "Wir vermitteln Praktika und Forschungsaufträge von Firmen an Studierende. Wir bieten zusätzliche Seminare und Vorlesungen an, die sonst nicht zu realisieren wären, und wir vergeben Fördereise für Bachelor- und Masterarbeiten", streift Ryschka einige Bereiche.
"Umgekehrt möchten wir aber auch neue Forschungstrends von der Hochschule in die Praxis und zu den Wirtschaftspsychologen im Beruf bringen", ergänzt Rigotti. Am Vereinsstammtisch treffen regelmäßig Studierende auf Lehrende und Praktiker. Und alljährlich bietet ein für alle Interessierten offenes Forum Gelegenheit zum Austausch. Am 7. November 2014 ist es wieder so weit, dann wird Prof. Dr. Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung einen Festvortrag zu "Kopf und Bauch – Wie trifft man gute Entscheidungen?" halten.
Unbekannte Wirtschaftspsychologie
Doch es geht dem Förderverein nicht nur darum, Lehre und Praxis in Kontakt zu halten. "Viele wissen gar nicht, was sie sich unter Wirtschaftspsychologie vorstellen sollen", so Rigotti. "Deswegen wollen wir mehr an die Öffentlichkeit gehen und aufklären."
Manch einer mag im Wirtschaftspsychologen den großen Manipulator sehen, der im Auftrag einer Firmenleitung das Letzte aus der Belegschaft holt. Rigotti schüttelt angesichts dieses Klischees den Kopf. "Im Kern sind wir als Psychologen Dienstleister der Menschen. Es geht uns nicht in erster Linie darum, den Profit der Unternehmen zu steigern. Ein integer arbeitender Psychologe wird immer zuerst fragen: Wie schaffe ich es, dass es den Menschen gut geht?" – "Dabei ist es ein schöner Nebeneffekt, dass die Menschen meist mehr leisten, wenn sie sich wohlfühlen", ergänzt Ryschka lächelnd.
Beide reizt es, als Wirtschaftspsychologen auch Stellung zu beziehen zu aktuellen Themen. "Im ökonomischen Verhalten wird der Mensch oft ausgeklammert. Psychologen können Hilfe leisten, diesen Faktor zu integrieren." Ob Burn-out, Führungsverhalten oder Entlassungen – den Psychologen fällt viel ein zu tagesaktuellen Themen. "Auch das wollen wir über den Verein erreichen", sagt Rigotti, "dass wir gefragt werden, wenn es um solche Probleme geht."
Der Förderverein für Wirtschaftspsychologie hat viel vor. Die Pinnwand ist stummer Zeuge dieses Elans, Ryschka und Rigotti sind die beredten Verfechter all der Pläne und Ideen. Sie machen klar, dass die Wirtschaftspsychologie nicht nur an die Hochschule und in die Betriebe gehört: Sie zielt mit ihrer Forschung in die Mitte der Gesellschaft. Da soll sie hin. Auch daran arbeitet der Verein.