23. März 2018
Der alljährliche Welttag der Meteorologie am 23. März erinnert an die im Jahr 1950 in Kraft getretene Konvention der Weltorganisation für Meteorologie. Damals hatte man erkannt, dass sich aus aktuellen Wettermeldungen aus aller Welt zusammen betrachtet verlässlichere Wetterprognosen erstellen ließen. Auch der Gutenberg-Campus hat eine Wetterstation, der wir anlässlich des Weltwettertags einen Besuch abstatten. Mit von der Partie sind Christa Stipp, Alumna des hiesigen Instituts für Physik der Atmosphäre und seit zwei Jahren Meteorologin und Moderatorin im ZDF-Wetterteam, sowie Dr. Philipp Reuter, der die JGU-Wetterstation betreut.
Im Treppenhaus ist es warm. Über eine breite Fensterfront heizen vereinzelte Sonnenstrahlen den schmalen Gang auf, der zu den letzten Stufen in Richtung Dach führt. "So ungefähr funktioniert der Treibhauseffekt", feixt Dr. Philipp Reutter, während er eine schwere Tür öffnet. Nun geht es hinaus in die Kälte. Kräftige Böen zerren an der Kleidung. Der Meteorologe besteigt den luftigen Aufbau aus Metallstreben, der auf dem Dach des Naturwissenschaftlichen Institutsgebäudes noch ein kleines Stück höher in den Himmel ragt. Oben auf der Plattform angekommen deutet er über das Geländer hinweg nach Nordosten. "Dort ist der Mainzer Dom zu sehen und da hinten kann man heute sogar Frankfurt erkennen."
Dies ist zwar nicht die eigentliche Wetterstation des Instituts für Physik der Atmosphäre an der JGU. Die liegt draußen auf dem flachen Feld, wo es später noch hingeht. Aber einen Besuch ist dieses Metallgerüst dennoch wert. "Ich führe immer wieder Gruppen hier hoch", erzählt Reutter. "Viele Schulklassen schauen sich das an." Diesmal hat er nur einen Gast: Christa Stipp ist an ihre Alma Mater und an das Institut gekommen, an dem sie bis vor drei Jahren Meteorologie studierte. Der schneidende Wind hier oben beschert der Moderatorin aus dem ZDF-Wetterteam zwar eine rote Nasenspitze, aber ansonsten zeigt sie sich ungerührt von den Temperaturen. "Ich lasse mich nicht allzu sehr vom Wetter beeinflussen", meint sie mit einem Augenzwinkern.
Wenig bekannte Wissenschaft
"Als ich beschloss, Meteorologie zu studieren, haben mich viele gefragt: Was ist denn das? Was mit Sternen und so? Ich habe erklärt: Nein, ihr meint Astronomie. Ich meine Meteorologie: mit Wetter und so." Stipp musste feststellen, dass sich viele Leute unter Meteorologie kaum etwas vorstellen können. Tatsächlich ist die Wissenschaft vom Wetter und vom Klima gar nicht so verbreitet. In Deutschland lässt sie sich an gerade mal elf Standorten studieren, einer davon ist die JGU mit ihrem Institut für Physik der Atmosphäre. "Für Meteorologie entscheiden sich nur wenige Leute", weiß Reutter. "Es ist ein recht familiärer Studiengang. Das, was wir hier machen, können nicht viele."
Die Plattform hier oben auf dem Dach ist wie die Wetterstation draußen im Feld ein wichtiger Lernort. Hier finden sich traditionelle Messgeräte neben modernen Apparaturen. Beides sollen die Studierenden kennenlernen, mit beidem sollen sie hantieren können. Reutter deutet auf eine faustgroße Glaskugel, die in knappem Abstand von einem halbkreisförmigen Metallkragen umgeben ist. "Das ist unser Sonnenscheinmesser." Er legt einen speziell beschichteten Pappstreifen in den Kragen. Wenn Sonnenstrahlen auf die Kugel fallen, werden sie so fokussiert, dass sie Löcher in die Pappe sengen. Je nach Stand des Gestirns treffen sie dabei einen anderen Abschnitt. So brennt sich auf dem Streifen die tägliche Sonnenscheindauer ein. "Das ist ein uraltes Messprinzip."
Jenseits der Glaskugel sind zwei moderne Fotosensoren angebracht. Auch mit ihnen lässt sich Sonnenschein messen – zwar recht präzise, aber nicht halb so anschaulich. Dafür wiederum ist die Funktionsweise des Niederschlagsmessers, der am Geländer hängt, jedem sofort eingängig: In einem oben offenen Metallzylinder steckt ein Trichter, der in eine Plastikflasche mündet, in der sich der Regen sammelt. Auch das ist ein uraltes und einfaches Prinzip.
Viele Mathe, viel Physik
Nun mag Meteorologie zwar auf solch einfachen Messmethoden gründen, aber das Fach selbst ist mitnichten einfach. "Es gehört viel Mathematik und Physik dazu", erzählt Stipp beim Abstieg von der Plattform zurück ins Gebäude, "vor allem in den ersten drei Semestern." Die großen Vorlesungen in Mathematik erweisen sich regelmäßig als Hürde für angehende Meteorologinnen und Meteorologen. "Wer Mathe nur aus der Schule kennt, kann sich kaum vorstellen, was da gefordert wird. Viele fallen beim ersten Mal durch." Das allerdings sei keine Schande. "Wir sind eigentlich cooler als die Mathematiker", schmunzelt Stipp. "Wir sind anwendungsbezogen und wirklich jeder interessiert sich für unsere Anwendung."
"Im Laufe des Studiums bilden sich in der Meteorologie zwei Lager, die aber weiter eng zusammenarbeiten", erzählt Reutter. "Es gibt die mehr experimentell Orientierten, die Geräte entwickeln, messen und dann Daten im Hinblick auf eine Fragestellung auswerten. Und es gibt die Theoretiker, die mithilfe von Computersimulationen und mathematischen Modellen wissenschaftliche Fragen beantworten." Stipp gehörte eindeutig zur zweiten Gruppe, denn Mathematik und Informatik liegen ihr. Bereits während ihres Bachelorstudiums suchte sie als studentische Hilfskraft programmiertechnische Lösungen für die Auswertung von großen meteorologischen Datenmengen.
Bei der Datenauswertung ist Stipp im Grunde geblieben. Diese spielt in ihrer Tätigkeit als Wetterfrau beim ZDF eine zentrale Rolle. Davon erzählt sie auf dem 10-minütigen Fußweg zur eigentlichen JGU-Messstation am Rande des Campus. "Ein Drittel meines Jobs besteht darin, dass ich mir Messwerte von Wetterstationen und Berechnungen von Wettermodellen anschaue und sie analysiere. Im nächsten Drittel breche ich all das für meine Wettervorhersage herunter. Zum Schluss kommt dann das Journalistische ins Spiel: das Fein-Tuning der Texte, das Auswendiglernen, das Präsentieren – und daneben das Erstellen von Karten und Grafiken.
Im ZDF ist das Wetterteam recht überschaubar. "Wir sind neun Leute und wir arbeiten alle recht eigenständig." Überschaubar ist leider auch die Sendezeit. "Teilweise habe ich für eine Standardvorhersage nur 1,15 Minuten Zeit. Fünf Sekunden davon gehen schon für den Jingle drauf." Ein paar mehr noch für die eine oder andere auflockernde Bemerkung. "In den Rest der Zeit das Wetter für ganz Deutschland zu packen, kann schon eine fiese Aufgabe sein. Ich hätte gern mehr Zeit, um die Vorgänge ausführlicher zu erklären, um etwas wissenschaftlicher zu werden."
Arbeit im ZDF-Wetterteam
Stipp hatte neben dem Studium bereits bei einem privaten Wetterdienstleister gearbeitet. Dort erstellte sie Vorhersagen fürs Internet. Das half ihr vor rund zwei Jahren beim Wetter-Casting fürs ZDF. "Im letzten Moment bin ich da reingerutscht. Ein echter Glücksfall für mich."
In der Folge absolvierte sie wie all ihre Kolleginnen und Kollegen ein Moderations- und Sprachtraining. Sie lernte unter anderem, wie wichtig die emotionale Komponente sein kann, um Wetter zu vermitteln. "Ich erinnere mich noch, wie die Trainerin riet, ich solle nicht immer lächeln, wenn ich Gewitter ansage." Und im Laufe ihres Berufsalltags erfuhr sie dann, was für eine sensible Sache so eine Wettervorhersage sein kann. "Ich stand nach dem Anschlag von Nizza vor der Kamera. Ich trug Schwarz, durfte auf keinen Fall lächeln und wünschte am Ende auch keinen schönen Abend."
Wetterstation Friederichsfeld
Die Wetterstation der JGU wird von einem Zaun geschützt – mehr oder weniger: Graffiti bedeckt den Container, in dem die Computer stecken, die alle hier gewonnenen Daten unter anderem an die Rechner in Reutters Büro senden. In einem abgegrenzten Quadrat stehen wieder allerlei Messgeräte und wieder handelt es sich um alte und um neuere Exemplare.
Reutter führt zu einem weißen Kasten auf vier hohen Stelzen. "Das ist unsere Englische Hütte. Wie es der internationale Standard vorgibt, liegt sie zwei Meter über dem Gras, damit die Daten aller Hütten weltweit vergleichbar sind." Er holt eines der Geräte aus der Hütte, den Thermografen: Eine Metallnadel dehnt sich je nach Temperatur aus und zeichnet so auf einen langsam rotierenden Zylinder eine entsprechende Kurve. Natürlich gibt es ein Instrument, das dieselbe Messung auf modernere, auf elektronische Weise vornimmt.
Am Rande des kleinen Geländes erinnert ein Schild an jenen JGU-Meteorologen, der die Station über Jahrzehnte betreute. "Am Anfang war die Datenübertragung noch nicht so einfach", berichtet Reutter. Von 1972 bis 2016 war Berthold Friederich am Institut angestellt und an den wechselnden Standorten der Station aktiv. "Wir nennen dies hier nach ihm Friederichsfeld."
JGU-Wetter auf Twitter
Die Wetterstation liefert Werte zu Temperatur, relativer Luftfeuchte und relativem Luftdruck, zu Windgeschwindigkeit und Niederschlagsmengen. "Außerdem bekomme ich Anfragen aus allen möglichen Fachbereichen. Die Physik nutzt unsere Messungen ebenso wie die Geoinformatik oder die Fluglärmforschung an der Universitätsmedizin." Als Verantwortlicher für die Wetterstation füttert Reutter zudem die Webseite seines Instituts mit allerlei interessanten Fakten rund ums Wetter. Sogar einen Twitter-Kanal hat er eingerichtet, auf dem er mit kurzen Filmen interessante Wetterphänomene zeigt und erklärt. "Dort fragen unter anderem die Stadt Mainz und die Polizei öfters nach dem Wetter", erzählt der Meteorologe.
"Für Wetter interessiert sich eigentlich jeder", weiß auch Stipp, während sie die Geräte der Wetterstation mustert, mit denen sie einst selbst hantierte. "Nur so genau wollen es die meisten nicht wissen", meint Reutter. "Typische Fragen sind, ob es weiße Weihnachten gibt oder wann der Frühling kommt. Das reicht meist." Schade eigentlich, es gäbe so viel mehr zu erfahren.