Zu Gast auf der Berlinale

29. Mai 2018

Kristin Kumria studiert Theater- und Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Daneben ist sie seit rund einem Jahrzehnt in verschiedensten Theater- und Filmproduktionen zu sehen. Die Schauspielerei ist ihre Leidenschaft. Mit ihrer Hauptrolle in dem Smartphone-Thriller "Follower" schaffte sie es jüngst zu den Internationalen Filmfestspielen in Berlin.

In ihrem Leben stand sie bereits häufig auf der Bühne und vor der Kamera, aber als Privatperson fotografiert zu werden, macht sie dann doch etwas nervös. "Im Film oder im Theater spiele ich eine Rolle", meint Kristin Kumria. "Meine Persönlichkeit verschwindet hinter der Figur. Es geht um meine Leistung als Schauspielerin und nicht um mich." Im folgenden Gespräch allerdings soll es um beides gehen.

Vor knapp einem Jahr bekam Kumria die Hauptrolle im Kurzfilm "Follower". Es war ihre dritte Zusammenarbeit mit Nachwuchsregisseur Jonathan B. Behr, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert. In dem zehnminütigen Streifen spielt sie die Babysitterin Clara.

Vom Follower zum Stalker

Der Film beginnt harmlos: Während das Kind schläft, vertreibt sich Clara die Zeit, indem sie Selfies auf Instagram postet und mit ihrem Freund per WhatsApp chattet. Plötzlich allerdings schaltet sich ein Stalker ein: Er schickt ihr Nachrichten und entstellt darin die Bilder, die sie zuvor verschickt hatte. Zudem scheint ihr unheimlicher Follower genau zu wissen, wo sie gerade ist und was sie tut ...

"Es war eine Riesenüberraschung, als ich hörte, dass der Film auf der Berlinale laufen würde", erzählt Kumria. "Follower" wurde im Wettbewerb "Generation 14Plus" gezeigt. Das gesamte Team reiste zur Premiere nach Berlin, gab Interviews, genoss die Atmosphäre. Zwar gewann der Kurzfilm keinen der begehrten Bären. "Aber er läuft nun auf fast allen großen Festivals, demnächst auch auf dem Animationsfilm-Festival in Annecy."

"Follower" ist ein Smartphone-Thriller: Zu sehen und zu hören ist, was die Hauptfigur Clara auf ihrem Handy empfängt und was sie selbst sendet. "Der Film spiegelt den digitalen Zeitgeist wieder", so Kumria. Follower gelten in der Welt der sozialen Medien zuerst einmal als etwas Positives, jeder möchte möglichst viele davon haben, nicht nur Popstars und Politiker protzen damit. Hier allerdings verkehrt sich der Begriff zu etwas Negativem und Bedrohlichem.

Freilichtspiele und Filmprojekte

Vor vier Jahren kam Kumria aus Schwäbisch Hall nach Mainz, um an der JGU zu studieren. "Theaterwissenschaft gibt es nicht an allzu vielen Universitäten und die Kombination mit Erziehungswissenschaft habe ich tatsächlich nur hier gefunden", erklärt sie. Beide Fächer sind ihr wichtig: "In der Theaterwissenschaft bekomme ich theoretischen Hintergrund, ein Gefühl für Dramaturgie, für den Aufbau von Stücken und vieles mehr." Die Erziehungswissenschaft und das soziale Arbeiten sind eine willkommene Ergänzung: Unter anderem ist Kumria bei einem Jugendtreff in Budenheim in der offenen Jugendarbeit tätig.

Beides hindert sie allerdings nicht, sich weiter dem Theater und der Filmproduktion zu widmen. Sie war über Jahre im Jugendensemble "leichtSPIELfrei" der Freilichtspiele Schwäbisch Hall sehr aktiv. "2017 habe ich alle Leute von damals wieder zusammengetrommelt." Mit einer Freundin schrieb sie ein eigenes Theaterstück und inszenierte es für die Freilichtspiele. "Es handelt von einem korrupten Politiker", erzählt Kumria. "Big Boss" ist Krimi, Komödie und gesellschaftskritisches Theater in einem.

Im Jahr 2015 stieß sie bei Facebook auf ein Casting des späteren "Follower"-Regisseurs Behr. "Damals bekam ich die Rolle noch nicht, aber danach habe ich in drei Filmen von ihm mitgespielt." Kumria entdeckte ein neues Medium. "Im Theater muss ich groß spielen, damit auch die Leute in der letzten Reihe mitbekommen, was passiert. Im Film ist das anders, da wirkt alles viel natürlicher und nicht so übertrieben. Dort sind die kurzen Sequenzen, in denen ich voll auf den Punkt spielen muss, die Herausforderung. Dafür habe ich im Theater wieder das Publikum vor mir und erlebe direkt die Reaktionen." Was ihr besser gefällt, kann Kumria nicht sagen, auch wenn sie sich im Moment vor allem mit dem Film beschäftigt.

Gender im Theater

"Ich habe zwei Kurzfilme in Mainz gedreht, die ich selbst finanzieren konnte", erzählt sie. Da die Theaterwissenschaft in Mainz sehr interdisziplinär ausgelegt ist, kam sie zudem in Kontakt mit Kommilitoninnen und Kommilitonen des Studiengangs Filmwissenschaft und war bei deren filmischen Modellversuchen aktiv. "Gerade arbeite ich an einer Web-Doku-Serie mit." Der Mainzer Filmwissenschaftsstudent Philipp Neuweiler möchte Geschichten von Heimatsuchenden erzählen. "Es geht um Menschen, die auf der Flucht oder auf der Reise sind und den Begriff Heimat ganz unterschiedlich definieren. Philipp hat sie bereits interviewt und demnächst setzen wir uns an die Konzeptualisierung und Visualisierung. Philipp plant zeichnerisch animierte Sequenzen, die vom Stil her ein bisschen an Tim Burton erinnern."

Jenseits davon macht sich Kumria gerade Gedanken um das Thema ihrer Bachelorarbeit. "Mich interessiert Gender im Theater. Ich könnte mich zum Beispiel mit dem Vorsprechen beschäftigen: Welche Typen werden gesucht? Oder damit, wie Gender auf der Bühne dargestellt wird, wie männliche und weibliche Rollen besetzt werden."

Was danach kommt, lässt sie offen. Sicher lockt die Schauspielerei. "Ich könnte mir aber auch vorstellen, einen Masterstudiengang in Mediendramaturgie hier an der JGU zu belegen." In Mainz jedenfalls wird sie erst einmal bleiben. "Ich fühle mich hier sehr wohl", betont sie. "Es ist eine schöne Stadt mit einem großen Kulturangebot."