8. Oktober 2014
Wo bleiben wir mit unseren radioaktiven Abfällen? Was geschieht mit den Altlasten der Vergangenheit? Was bringt die Zukunft? Diesen hochaktuellen Fragen widmete sich das Symposium "Zwischenlager – Dauerlager – Endlager" auf dem Gutenberg-Campus, organisiert vom Deutsch-Schweizerischen Fachverband für Strahlenschutz e.V., der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung.
Am 27. Juli 2013 eröffnete Bundesumweltminister Peter Altmaier in Berlin die ergebnisoffene Suche nach einem Atommüllendlager in Deutschland. Ein entsprechendes Standortauswahlgesetz trat in Kraft. "Der bestmögliche Standort für ein Endlager soll bestimmt werden", erklärt nun Dr. Barbara Freund vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. "Wir haben also eine weiße Landkarte vor uns." Alles scheint offen: Soll in Salz, Ton oder kristallinen Schichten gelagert werden? Welche Region wird es treffen?
Zusammen mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung fragt der Deutsch-Schweizerische Fachverband für Strahlenschutz: "Zwischenlager – Dauerlager – Endlager, wo bleiben wir mit unseren radioaktiven Abfällen?" Rund 130 Fachleute verschiedenster Couleur waren zu einem dreitägigen Symposium nach Mainz gekommen, um in Vorträgen verschiedenste Facetten des Problems zu beleuchten und mögliche Antworten kritisch zu diskutieren.
Das deutsche Entsorgungsprogramm
Freund übernahm die Aufgabe, den deutschen Weg in Sachen Atommüllentsorgung zu skizzieren. Auch sie stellte in ihrem Vortrag "Das nationale Entsorgungsprogramm" erst einmal eine Frage: "Warum mussten wir überhaupt ein solches Programm erstellen?"
Die Antwort: Im Jahr 2011 trat in der Europäischen Union eine Richtlinie zur Entsorgung radioaktiver Abfälle in Kraft. Sie fordert von allen Mitgliedsstaaten, ihre abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle sicher zu entsorgen und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Jedes Land soll ein Programm erstellen, das unter anderem eine Bestandsaufnahme des Atommülls, Konzepte und technische Lösungen für Entsorgung und Endlagerung sowie einen Kosten- und einen Zeitplan enthalten soll.
"Das Verzeichnis radioaktiver Abfälle wird derzeit erstellt", berichtet Freund vom Stand der Dinge. "Es soll im Oktober 2014 vorgestellt werden. Die Menge der Abfälle wird nach Standorten aufgeteilt wiedergegeben."
Ihre Endlagerung erfolgt in Deutschland. "Das ist nicht von der Richtlinie vorgegeben, sondern eine Entscheidung der Bundesregierung." Also müssen Endlager her. Das Endlager Konrad für radioaktiven Abfall mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung ist bereits beschlossene Sache. "Es geht 2022 in Betrieb."
Ein Endlager bis 2031
Schwieriger wird die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle. Hier kommt die weiße Landkarte ins Spiel. "2015, 2016 beginnt die Auswahl der möglicher Standortregionen." 2023 werden die ausgewählten Standorte erkundet und 2031 sollen Bundestag und Bundesrat eine Entscheidung treffen. "Dann sollten wir ein Endlager haben", meint Freund.
Dr. Jörg Tietze vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geht in seinem Beitrag genauer auf den aktuellen Stand der deutschen Endlagerprojekte ein. "Die Errichtung von Konrad wird uns voraussichtlich 2,9 Milliarden Euro kosten", stellt er fest. Im Moment werde das ehemalige Eisenerzbergwerk in Salzgitter ertüchtigt. 40 Jahre soll Konrad in Betrieb bleiben.
Die Bundesregierung hat nicht nur die Errichtung neuer Endlager beschlossen, sondern auch die Stilllegung alter Projekte verfügt. So wird das Endlager Morsleben geschlossen. "Die geschätzten Gesamtkosten liegen bei 2,4 Milliarden Euro", sagt Tietze. "Das werden leider reine Steuergelder sein." In Morsleben geht es um rund 30.000 Kubikmeter schwach strahlender Abfälle.
Ein großes Problem stellt die Stilllegung von Asse II in Niedersachsen dar. Im Jahr 2008 machten alarmierende Pressemeldungen zur Asse die Runde. Leckgeschlagene Fässer wurden gezeigt, Befürchtungen wurden laut, dass es zu einer großflächigen Verseuchung durch den im ehemaligen Salzbergwerk abgeladenen Atommüll kommen könnte. Die Bundesregierung beschloss die Rückholung der Abfälle aus Asse II.
Das Problem Asse II
"Wir haben derzeit eine Faktenerhebung laufen", sagt Tietze. Notfallvorsorge und Rückholung seien zwei Hauptpfeiler der kommenden Asse-Maßnahmen. "Es sind allererste Skizzen und Überlegungen, die wir haben."
Ulrike Feldmann vom Wirtschaftsverband Kernbrennstoff-Kreislauf und Kerntechnik e.V. fragt nach: "Vor einigen Jahren hörte man oft, dass es fünf vor zwölf sei, dass die Asse absaufen werde. Dann ist es still geworden. Ist es immer noch fünf vor zwölf oder nicht schon eins vor zwölf?" – "Das Problem ist, dass wir fünf vor zwölf nicht kennen", erwidert Tietze. Es sei schwierig, die Vorgänge in einem Salzbergwerk wie Asse vorherzusagen.
Asse bewegt die Gemüter – auch beim Symposium. Deswegen beschäftigten sich gleich zwei weitere Vorträge mit dem ehemaligen Bergwerk. Matthias Ranft vom Bundesamt für Strahlenschutz sprach über "Besondere Herausforderungen bei der Stilllegung der Schachtanlage Asse II". Dr. Jörg Feinhals von DMT widmete sich den "Strahlenschutzaspekten bei der Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II".
"Wir hatten Ende 2011 erkannt, dass die Rückführung der Abfälle im Zeitraum von sieben bis zehn Jahren nicht möglich ist", sagt Ranft. Und erst danach sei überhaupt an eine Stilllegung zu denken. "Es wird nicht schnell gehen, quick and dirty wird es nicht geben. Wir müssen erst Strukturen schaffen, damit die Rückholung sicher ist." Er rechne hier nicht in Jahren, eher in Jahrzehnten.
Keine schnelle Lösung
Die neue Schachtanlage bereite in vielerlei Hinsicht Probleme. Ranft zeigt das Bild eines maroden Betonpfeilers unter Tage. "Wir haben Risse in Pfeilern, die sind so groß, da können Sie hineinklettern." Er berichtet von schwer abschätzbarem Wassereintritt, von Verformungen der Schächte. "Wir müssen eine Bergungstechnik entwickeln, die alle Unwägbarkeiten berücksichtigt."
An dieser Entwicklung ist Feinhals beteiligt. Er hat vor allem den Strahlenschutzaspekt m Blick. Drei erste Schritte seinen geplant, einer sei bereits getan: "Zwei der 13 Kammern in Asse wurden angebohrt, um erste Untersuchungen vorzunehmen." Später soll die Öffnung einer Kammer folgen, dann das probeweise Bergen, Umverpacken und Weitertransportieren von dem, was in solch einer Kammer zu finden sei.
Zur sicheren Bergung der Abfälle müssten große Schleusen in die Schachtanlage installiert werden. Eine Förderbandanlage planen Feinhals und sein Team ebenfalls. "In der Asse geht nichts schnell", bekräftigt er, "wir müssen sauber arbeiten."
Asse II ist also nicht nur ein großes Thema auf dem Symposium. Sie wird die Fachleute weiter beschäftigen – wie so viele Themen an diesen drei Tagen. Auf die Frage "Wo bleiben wir mit unseren radioaktiven Abfällen?" gibt es keine einfachen Antworten.