Forschung an der krummen Wurzel

2. Oktober 2013

Acht Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 13 Jahren sind in den vergangenen Monaten im Forschergarten der Grünen Schule der Johannes Gutenberg Universität Mainz (JGU) Möhren, Erbsen und Salatköpfen mit wissenschaftlichen Fragen auf die Pelle gerückt. Nun feierte die kleine Gruppe mit einer großen Ernte- und Kochaktion den Abschluss ihres Projekts und präsentierte Eltern und Freunden die Erkenntnisse des Gartenjahrs.

Heute muss die Möhre raus. Doch der Boden will sie nicht hergeben. "Ich dachte, man zieht einfach am Grünzeug", meint Maria. Das hat nicht funktioniert. Nun gräbt sie die Wurzel mühsam aus. Derweil hat Nicolas sein Exemplar schon zur Hälfte freigelegt. Der Junge greift beherzt mit beiden Händen zu. Er zieht, es knackt, er landet auf dem Hosenboden. Eine Möhrenhälfte steckt noch in der Erde.

Fünf Mädchen und drei Jungen ernten ihre Früchte. Ein Gartenjahr lang haben sie in ihrem Versuchsbeet auf dem Gelände des Botanischen Gartens der JGU allerlei Gemüse angebaut, haben es gepflegt und eigene Forschungsvorhaben entwickelt. Nun treffen sie sich zum Finale, stellen ihre Ergebnisse vor und kochen mit dem, was der Boden dann doch hergibt.

Von Möhren und Brathähnchen

"Meine Möhre sieht wie ein Brathähnchen aus", ruft Jonas grinsend. Tatsächlich ähnelt das winzige Exemplar eher einer verästelten Alraune als einer Karotte. Gemüse kommt eben nicht immer so gleichförmig aus der Erde, wie es die Auslagen im Supermarkt suggerieren. Es ist schon mal krumm und schief – und bei der Ernte ist es auch nicht unbedingt kooperativ.

Der Forschergarten der Grünen Schule hat Kindern in diesem Jahr erstmals die Gelegenheit geboten, ein größer angelegtes wissenschaftliches Experiment zu planen, es über Monate zu begleiten und auszuwerten. Der Kurs startete Anfang März. Nun geht es dem Ende entgegen.

"Ob wir den Forschergarten im nächsten Jahr wieder anbieten können, weiß ich noch nicht", sagt Dr. Ute Becker. Die Leiterin der Grünen SchuIe wird aber das positive Echo ihrer Jungwissenschaftler im Hinterkopf behalten, wenn sie über die Fortsetzung des Pilotprojekts nachdenkt. "Für mich war es das erste Mal, dass ich in Mainz eine Gruppe so lange und so intensiv begleiten konnte."

Wo wächst die Erbse am besten?

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Nicolas, Julian und Jonas haben an den widerspenstigen Möhren und an Erbsen geforscht. Sie pflanzten eine Partie Gemüse im selbst gebastelten Gewächshaus, eine in mit Folie abgedeckter Erde und eine im freien Beet. Auf einem Plakat hielten sie ihre Ergebnisse in Bild und Text fest. Über allem steht die Frage: "Unter welchen Bedingungen wachsen Erbsen und Möhren am besten?"

Ein Balkendiagramm gibt Auskunft: Den Erbsen tat das Gewächshaus gut. Der Ertrag war dort beinahe doppelt so hoch wie auf dem Beet ohne Folie, die Folie dagegen wirkte sich nur leicht positiv aus. Die Möhren dagegen wuchsen in freier Natur am besten. Das Gewächshaus bremste sie gewaltig. "Sie waren klein und holzig", erzählt Jonas. "Vielleicht hätten wir mehr gießen müssen." Becker nickt.

Gießen ist ein gutes Stichwort. Denn natürlich bekamen die Kinder in dieser Hinsicht ein wenig Hilfe vom Personal des Botanischen Gartens – und vor allem von den beiden Absolventinnen eines Freiwilligen Ökologischen Jahres an der Grünen Schule. Ohne diese Unterstützung wären besonders die großen Ferien zur Durststrecke für den Forschergarten geworden.

Wenn der Salat schießt

Lea Florine und Emily pflanzten Salat in einer Zeit, wo er eigentlich nicht gepflanzt werden soll. Auf dem Saattütchen lasen sie: "Nicht im Juni und Juli aussäen." Ihre ersten Chargen kamen noch zur empfohlenen Zeit in die Erde, doch dann machten sie so weiter: Alle zwei Wochen säten sie neu.

Auf ihrem Plakat ist ein Foto zu sehen, das zeigt, was im Juni und Juli passierte: Die Pflanzen bildeten keine Salatköpfe, sondern schossen in die Höhe, entwickelten Blüten und produzierten Samen. "Die haben wir dann geerntet", erzählt Lea. "Damit können wir neuen Salat pflanzen."

Das Experiment von Laura, Maria und Anika könnte Hobbygärtner interessieren: Die drei forschten zu den Auswirkungen verschiedenster Dünger auf Salat. Sie teilten ihre Versuchsfläche in ein ungedüngtes Feld, eines mit Tierkot, eines mit organischem und eines mit mineralischem Dünger. Auch hier zeigt ein Balkendiagramm das Ergebnis: Blaukorn, also der mineralische Turbodünger, verhalf zur besten Ernte, zumindest hinsichtlich der Größe der Salatköpfe.

Kürbissuppe und essbare Blüten

"Es geht aber nicht immer nur um die Größe, es kommt auch auf die Inhaltsstoffe an", gibt Anika zu bedenken. Danach wollten die Mädchen eigentlich noch forschen, sie schafften es aber nicht mehr so ganz. Auch das gehört zum Alltag eines Wissenschaftlers.

Gegen 18 Uhr trudeln Eltern und Freunde in der Grünen Schule ein. Die Ernte ist zum größten Teil verarbeitet. Eine Kürbissuppe köchelt vor sich hin, Tomaten- und Karottensalat stehen bereit. Bunter Mais schmückt den Tisch, dazwischen leuchten die Blüten der Kapuzinerkresse. "Die kann man übrigens essen", erklärt Laura beim Dekorieren. Alles, was hier liegt und steht, ist aus dem Forschergarten. "Bis auf die Kartoffeln in der Suppe", räumt Becker mit einem Augenzwinkern ein.

Die lange Tafel fasst 20 Kinder und Erwachsene. "Wir müssen ein wenig improvisieren, weil wir nicht mit ganz so vielen Besuchern gerechnet haben", entschuldigt Becker die Teelöffel, die hier und da zur Suppe aufgedeckt sind.

Finale für die jungen Forscher

Sonst aber läuft alles einwandfrei. Die Forschergruppen präsentieren ihre Plakate an der Flipchart und beantworten Fragen. Was waren ihre Messgrößen? Warum schlug der Tierkot als Dünger überhaupt nicht an? Und warum schoss der Salat im Juni in die Höhe? Manchmal springt Becker ein. "Das mit dem Salat liegt an der Länge der Tage." Daran orientiert sich die Pflanze, wenn es darum geht, welches Programm sie durchspielt, und im Juni steht so Samenproduktion an.

Der Forschergarten war ein Erfolg, gerade weil nicht immer alles perfekt lief und nicht alles gelenkt wurde. Acht Jungen und Mädchen machten ihre ganz eigenen Erfahrungen mit Pflanzen und Erde, mit Dünger und Wissenschaft. Nun bleibt abzuwarten, ob im nächsten Jahr eine neue Forschergeneration das kleine Stück Erde auf dem Gelände des Botanischen Gartens in Beschlag nehmen kann.