Ziemlich beste Freunde

30. März 2016

Die Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wandern zwischen März und September 2016 durch die Museen der Landeshauptstadt. Objekte verschiedenster Art treten dabei in Dialog mit den Dauerausstellungen vor Ort, eröffnen neue Sichtweisen und bieten Raum für außergewöhnliche Assoziationen. Zu Beginn geht es ins Landesmuseum Mainz. Weitere Stationen sind das Naturhistorische Museum sowie das Dom- und Diözesanmuseum.

Zwischen steinernen Madonnen aus vergangenen Jahrhunderten steht eine neue Vitrine in frischem Rot und Weiß. Auf den ersten Blick scheint sie ein wildes Sammelsurium an Objekten zu enthalten, das quer durch Epochen und Kulturen führt. Doch bei näherem Hinsehen ergeben sich Bezüge. Da ist die kleine Marienfigur aus Gabun. In dem zentralafrikanischen Land entstand Ende des 19. Jahrhunderts mit der Bwiti-Religion eine Erneuerungsbewegung, die den Ahnenkult der einheimischen Bevölkerung mit christlichen Traditionen verbindet. Die Bewegung gilt als Reaktion auf koloniale Unordnung und Gewalt. Maria wird zur Mutter, Schwester und Frau von Jesus – und als Nyingwam ist sie zugleich Schwester des Schöpfergottes Zame.

"Wir schmuggeln unsere Objekte in die Dauerausstellungen der Mainzer Museen", erklärt Dr. Vera Hierholzer, Sammlungskoordinatorin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Das ist eine Art von Invasion", fügt sie lächelnd hinzu. Tatsächlich ist es eine ausgesprochen gutartige Invasion. Dafür steht schon der Titel der Reihe: "Ziemlich beste Freunde" wird im Lauf der kommenden Monate vom Landesmuseum Mainz über das Naturhistorischen Museum bis zum Dom- und Diözesanmuseum führen.

Gottesmutter ganz anders

In jedem der drei Häuser werden Objekte aus dem vielfältigen Sammlungsbestand der JGU zu sehen sein. Mal tauchen sie direkt zwischen den angestammten Exponaten auf, mal werden sie in eigenen Vitrinen vorgestellt. Immer aber sollen Bezüge sichtbar werden.

Die Bwiti-Maria stammt aus der Ethnografischen Studiensammlung der Universität. Das Marienglas in unmittelbarer Nachbarschaft hingegen ist der Geowissenschaftlichen Sammlung entliehen. Es wirkt wie dickes, klares Glas, ist aber ein Kristall des Minerals Gips. Mit ihm wurden im 18. Jahrhundert Marienfiguren geschützt: Sie standen buchstäblich hinter Marienglas. Die getrocknete Kornblume aus dem Herbarium der JGU wiederum beleuchtet einen weiteren Aspekt des Marienkults: Sie wird gern als Marienblume bezeichnet, da ihr Blau an das Gewand der heiligen Maria erinnert.

"In Verbindung mit den Exponaten der Universität können wir unsere Sammlungen neu erleben", meint Thomas Metz, Generaldirektor der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. Anlässlich der Eröffnung von "Ziemlich beste Freunde" lobt er die vielgestaltige Zusammenarbeit zwischen den Mainzer Museen und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die sich über die Jahrzehnte entwickelt hat. "Ich sehe da eine Menge interessanter Projekte."

Spiegelungen, Bezüge, Kontraste

Auch Dr. Birgit Heide, Stellvertretende Direktorin des Landesmuseums, erinnert an die bereits fruchtbare Zusammenarbeit, an Ausstellungen, Vortragsreihen oder an die dauerhafte Verwahrung und Verwaltung von Universitätssammlungen in den Mainzer Museen. "Wir freuen uns, dass wir diese Kooperation fortführen können – diesmal mit einer ganz neuen Variante."

Eine kleine Vitrine präsentiert einen Brief Meline von Guaitas an ihre berühmte Schwester Bettina von Arnim: "Ich kenne ja von unserer Kindheit an dein warmes Herz und zweifle nie an deiner Schwesterliebe ..." Die Schwestern hatten sich höchst unterschiedlich entwickelt. Meline heiratete einen Geschäftsmann und ging im häuslichen Leben auf. Ihrer Schwester, die im Literaturbetrieb noch deutlich ihre Stimme erheben würde, berichtet sie von den eigenen Kindern, auch von der Tochter Marie. Und just von dieser Marie von Guaita hängt lange schon ein Porträt im Landesmuseum, ein Ölgemälde von Philipp Veit aus dem Jahr 1838.

"Ziemlich beste Freunde" bietet Spieglungen, Bezüge und Kontraste auf verschiedensten Ebenen. Die Idee zu diesem Format stammt von Dr. Vera Hierholzer, doch um es zu realisieren, war nicht nur die rege Zusammenarbeit mit den Museen nötig. Auch die einzelnen Sammlungsbetreuerinnen und -betreuer der JGU waren mit von der Partie. Im Laufe mehrerer Begehungen diskutierten sie, welche Stücke in die Museen passen, welche Objekte frischen Wind in die weiten Hallen bringen würden.

Sehnsucht Süd trifft Sehnsucht Nord

Aus dem Archiv für die Musik Afrikas (AMA) etwa steuerte Dr. Hauke Dorsch vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien gleich mehrere Exponate bei. Die Schallplatte "Missa Luba", zu sehen in der Marien-Vitrine, wurde 1969 im Kongo aufgenommen. Angeblich ist hier eine katholische Messe auf Basis traditioneller afrikanischer Gesänge zu hören, darunter auch ein "Ave Maria". Tatsächlich aber stammt ausgerechnet dieses Stück von einem europäischen Komponisten. "Hier wurde eher aus dem europäischen Bedürfnis heraus inszeniert, das Andere in Afrika zu finden", erläutert Dorsch. Eine Hörstation neben der Vitrine gibt Gelegenheit, sich ein Bild vom Klang der Messe zu machen.

Ein weiteres europäisches Bedürfnis schlägt sich in einem anderen Saal des Landesmuseums wider. Hier hängen Gemälde eines imaginierten Arkadien. Sie sind Ausdruck der Sehnsucht nach dem Süden, nach Italien. Dort zieht und zog es Dichter, Denker und Touristen aus dem Norden hin. Eine unscheinbare Single weist auf einen umgekehrten Drang hin, die afrikanische Sehnsucht nach dem Norden. Für viele Musiker Afrikas galt es als das Ereignis, wenigstens einmal in Paris gespielt zu haben. Alpha Blondy, Reggae-Musiker der Elfenbeinküste, zitiert diese Sehnsucht leicht ironisch. Auf dem Cover seiner Single "I Love Paris" droht er einen Lutscher in Form des Eiffelturms zu verschlingen.

"Ziemlich beste Freunde" bietet ziemlich viel. Allein im Landesmuseum sind 50 Objekte an 25 Stationen zu entdecken. Da trifft Max Slevogts Gemälde "Libysche Wüste" auf alte Dias der Biblisch-Archäologischen Sammlung, Albrecht Dürers "Adam und Eva" sehen sich den Abgüssen antiker Statuen gegenüber und ein 3-D-Objekt aus der Mathematischen Sammlung der JGU ähnelt erstaunlich den abstrakten Gemälden von Künstlern wie dem Wiesbadener Maler Alo Altripp.

"Uns öffnen sich hier einmal mehr die Augen für all die faszinierenden Dinge, die wir in unseren vielzähligen Sammlungen beherbergen", betont Prof. Dr. Wolfgang Hofmeister, Vizepräsident der JGU. "Unsere Sammlungen erwachen zu neuem Leben – im Austausch mit den verschiedensten Exponaten der Mainzer Museen."