Erstsemester erreichen – trotz Corona

7. Mai 2020

Die Corona-Pandemie zwingt dazu, auch bei der Begrüßung der Studienanfängerinnen und Studienanfänger neue Wege zu beschreiten: Die Hörsäle der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) bleiben geschlossen, dafür öffnen sich digitale Kanäle. Per Videobotschaft, virtuellem Erstsemesterfrühstück oder Online-Konferenz werden die frisch Immatrikulierten auf ihren neuen Lebensabschnitt vorbereitet.

Dr. Andreas Frings hatte sich den Empfang seiner Erstsemester völlig anders vorgestellt: Ursprünglich hätte er im Hörsaal gestanden und die Studierenden hereinströmen sehen, nun aber sitzt er mit einem Headset ausgerüstet vor seinem Computer und spricht in die eingebaute Kamera. Hinter ihm im Regal reihen sich die Aktenordner. Er ist allein.

"Ich darf Sie ganz herzlich im Namen des gesamten Historischen Seminars im Geschichtsstudium an der JGU begrüßen", beginnt er. "Diese Begrüßung per Video ersetzt für dieses Semester die Einführungsveranstaltung, in der wir uns normalerweise live gesehen hätten. Das wäre mir auch deutlich lieber gewesen." Geschichte habe viel mit Menschen zu tun, mit gemeinsamem Forschen und nicht nur mit Akten, betont der Studienmanager am Historischen Seminar. Davon will er in seinem zehnminütigen Video immerhin eine Ahnung vermitteln. "Genießen Sie, dass Sie sich für ein wirklich schönes Fach entschieden haben – nicht nur für ein schönes Fach, sondern auch für einen sehr guten Studienstandort."

Erstsemester auf besondere Weise abholen

Die Corona-Pandemie prägt auch den Start ins Sommersemester an der JGU. Eigentlich hätten rund 3.300 neue Studierende den Gutenberg-Campus entdecken sollen. Sie hätten sich mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen getroffen, hätten ihre Professorinnen und Professoren und all die anderen Lehrenden kennengelernt und sie hätten ein erstes Gefühl dafür bekommen, wie es ist, in Mainz zu studieren. Doch die Kontaktbeschränkungen machen all dies unmöglich. Die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Fächer müssen nun also neue Wege gehen: Die Begrüßung zum Sommersemester 2020 findet digital statt.

"Unsere Erstsemester sind eine besondere Gruppe", betont Prof. Dr. Stephan Jolie, JGU-Vizepräsident für Studium und Lehre. "Wir müssen sie also auch auf besondere Weise abholen. Sie müssen wissen, wo sie ihre ersten Informationen bekommen und an wen sie sich wenden sollen. Wir nehmen sie ganz stark in den Blick. Aber bei 271 Studiengängen können wir selbstverständlich nicht alles zentral überblicken und planen. Hier sind wir auf die Initiative in den einzelnen Fächern angewiesen."

Die JGU-Leitung hat ein Kompetenzteam Digitale Lehre ins Leben gerufen, das die Lehrenden unter anderem auch darin unterstützt, spezielle Angebote für Studienanfänger zu schaffen. Über das universitäre Lernmanagement-System Moodle wurde ein eigener Kurs eingerichtet, der eine ganze Reihe grundlegender Elemente der klassischen Begrüßung online verfügbar macht: JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch und der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling zeichneten eigens Grußbotschaften an die Erstsemester auf, daneben stellen sich Hochschulgruppen vor und Campus Mainz e.V. lädt zu einer filmischen Campustour. Zudem findet sich auf einer Infoseite alles, was den Start ins Studium erleichtert – von der individuellen Ansprache per Video bis zur Auflistung von wichtigen Institutionen und Ansprechpersonen.

Immenser Aufwand für die Lehrenden

Selbstverständlich ist das alles kein Ersatz für einen Studienbeginn vor Ort. "Das größte Problem sehe ich darin, dass wir den Erstsemestern nicht wirklich das Gefühl vermitteln können, persönlich anzukommen", meint Frings. "Sie könnten den Eindruck bekommen, dass es nicht wirklich wichtig ist, jetzt dabei zu sein." Dem will er entgegenwirken, auch wenn das nicht einfach ist. "Unsere Form der Lehre ist schließlich vor allem eine physische: Wir stehen im Raum. Das geht jetzt verloren."

Frings gehört als korrespondierendes Mitglied zum neuen Kompetenzteam Digitale Lehre. Er bekommt mit, wie schwer es oft fällt, auf neuen Kanälen Angebote für Studierende zu schaffen. Und egal, ob Einführung, Lehrveranstaltung oder Diskussion über Skype: "Der Aufwand ist enorm. Die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich in Kontakt bin, meinen, dass sie etwa das Dreifache an Zeit dafür investieren."

Am Historischen Seminar wurde für die neu Immatrikulierten einiges auf die Beine gestellt. In einem speziellen Moodle-Kurs findet sich nicht nur die Videobegrüßung des Studienmanagers, unter anderem stellen sich dort auch Angehörige des Seminars und die studentische Fachschaft vor. "Über Skype for Business konnten wir gleich in der Einführungswoche ein virtuelles Erstsemesterfrühstück und eine zweistündige Konferenz veranstalten. Diese Angebote führen wir fort", erzählt Frings.

Studierende reagieren positiv

"Die Reaktionen der Studierenden, soweit wir sie mitbekommen, sind sehr positiv", stellt er fest. "Sie fühlen sich persönlich angesprochen und genau darum geht es uns. Wir versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihnen das Gefühl zu geben: Hier sind immer noch Menschen, die miteinander arbeiten."

Für Frings ist das allerdings auf keinen Fall eine Dauerlösung. "Ich sehe das Ganze auch nicht unbedingt als Chance. Ich will in den nächsten Jahren eigentlich keine Videos aufnehmen. Ich möchte viel lieber die Studierenden persönlich erreichen." Frings fragt sehr grundsätzlich: "Woran messen wir denn am Ende des Sommersemesters, ob wir es gut gemacht haben? Vor allem doch daran, ob die Studierenden sagen: Da hat uns jemand ernst genommen, da hat sich wirklich jemand um uns gekümmert und wir haben etwas gelernt." Dafür wollen Frings und seine Kolleginnen und Kollegen mit der Erstsemesterbegrüßung einen Grundstein legen – im Notfall eben digital.