Visions for Climate – The Interfluencing Exposition

28. November 2024

Bis Ende Januar 2025 zeigt die Schule des Sehens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) künstlerische Werke von Studierenden, die sich auf unterschiedlichste Weise mit der Klimakrise auseinandersetzen. Doch nicht nur das: "Visions for Climate – The Interfluencing Exposition" soll ein Ort der Interaktion sein. Mit ihrer Zukunftslounge bietet die Ausstellung Raum zum angeregten Austausch und Gespräch.


Blick in die Zukunftslounge in der Schule des Sehens (Foto: Stefan F. Sämmer)
Blick in die Zukunftslounge in der Schule des Sehens (Foto: Stefan F. Sämmer)

Die Schule des Sehens ist zu einem lauschigen Wohnzimmer geworden. Leise Musik dringt aus versteckten Lautsprechern, beschirmte Stehlampen, Teppiche aus einer anderen Zeit und Gummibäume sorgen für Atmosphäre. Studierende haben es sich in gepolsterten Sitzgruppen gemütlich gemacht. Einige diskutieren bei Kaffee und Tee, andere spielen eine Partie Schach oder entdecken die zahlreichen Kunstwerke an den Wänden, die sich mit ihren schmucken Rahmen deutlich vom dezenten Tapetendesign im Stil der 1950er-Jahre absetzen.

Die Zukunftslounge in der Schule des Sehens hat geöffnet und zieht tüchtig Publikum an. Deswegen dauert es auch eine Weile, bis Timo Graffe und Prof. Dr. Klaus Wendt eine ruhige Ecke gefunden haben, um von "Visions for Climate – The Interfluencing Exhibition" zu erzählen. Wendt stellt seine Tasse frischen Kaffee auf einen Beistelltisch. Direkt daneben liegt eine Reihe von Zetteln bereit, die Besucher*innen Gesprächsanregungen bieten: "Lass uns darüber reden, … wie wir verhindern, dass 36 Grad und noch heißer monatelang normal werden" ist dort zu lesen. Oder: "Lass uns darüber reden, ... wie sich Deine Heimat entwickelt und wie sie in Zukunft aussehen soll".

Vorlesungsreihe zur Klimakrise

"Wir zeigen hier Werke zu unserer ersten Vorlesungsreihe VISIONS FOR CLIMATE‘", erzählt Graffe. "Sie wurde im Wintersemester 2022/2023 mit hoher Eigeninitiative der Studierendenschaft ins Leben gerufen und findet seither als Kern des JGU-Zukunftszertifikats jährlich statt." Seinerzeit engagierte sich Graffe noch als Student, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen, mittlerweile ist er für die neu geschaffene Koordinationsstelle Sustainable University (SUNNY) tätig, angesiedelt im Büro des Vizepräsidenten für Studium und Lehre.

Wendt leitet als Professor am Fachbereich Physik, Mathematik und Informatik die Arbeitsgruppe RISIKO/LARISSA, wobei LARISSA für "Laser Resonance Ionization for Spectroscopy and Selective Trace Analytics" steht. Daneben liegt ihm die Physikdidaktik am Herzen, er möchte Physik "unter die Leute" bringen. "Timo hat bei mir Physik auf Lehramt studiert. Er saß nur ein paar Schritte von meinem Büro an seiner Masterarbeit. Sein Plan war, über ein Escape-Room-Spiel Inhalte zum Klimawandel bereits in der Schule zu vermitteln. Außerdem plante er eine Veranstaltung, die ihm besonders am Herzen lag: die interdisziplinäre Vorlesungsreihe VISIONS FOR CLIMATE." Wendt war sofort begeistert und unterstützte dieses Vorhaben, denn das Thema bewegt ihn ebenfalls. "Als Professor konnte ich helfen, organisatorisch und nicht zuletzt auch mit finanziellen Mitteln hier und da", meint er.


Engagierte Gesprächspartner: Prof. Dr. Klaus Wendt (l.) und Timo Graffe haben an der JGU in den vergangenen Semestern verschiedene Projekte zum Thema Nachhaltigkeit angeregt und auf den Weg gebracht. (Foto: Stefan F. Sämmer)
Engagierte Gesprächspartner: Prof. Dr. Klaus Wendt (l.) und Timo Graffe haben an der JGU in den vergangenen Semestern verschiedene Projekte zum Thema Nachhaltigkeit angeregt und auf den Weg gebracht. (Foto: Stefan F. Sämmer)

"Es stand die Frage im Raum, wie man eine solche interdisziplinär angedachte Vorlesung am besten anlegt? 14 Wissenschaftler*innen berichten aus ihren Fachgebieten. Interessiert das wirklich jemanden? Timo kam auf die Idee, die Forschenden jeweils in Tandems zusammenzubringen und damit die Perspektive zu weiten. Das funktionierte erstaunlich gut. Außerdem überlegten wir, wie man die Thematik Klimakrise positiv besetzen kann. So entstanden Traumreisen, die als eine Art Vorspann zu jeder Vorlesung eingespielt wurden: Ein Text führt jeweils aus der Perspektive eines Fachs ins Jahr 2100 und malt aus, wie die Zukunft nach erfolgreicher Bewältigung der Klimakrise aussehen könnte. Die Gastvorlesenden nahmen diese Anregungen begeistert auf und haben sich dann in ihren Vorträgen darauf bezogen."

Ausstellung soll auf Reisen gehen

Die Vorlesungsreihe VISIONS FOR CLIMATE ist heute ins reguläre Studium integrierbar: Für die Teilnahme gibt es nach Ablieferung eines Portfolios als Leistungsnachweis ECTS-Leistungspunkte. "Wir kamen auf die Idee, dass sich die Studierenden neben einem Text zu einer Auswahl von Vorträgen, die sie besonders beeindruckt hatten, optional auch künstlerisch mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzen könnten, etwa über Bilder, Gedichte, Prosa oder auch ein Lied", so Graffe. "Wenn ich ein Kunstwerk anfertige, spielen ganz viele Emotionen mit", ergänzt Wendt. "Die Werke zeigen, dass die Leute nicht einfach nur dasitzen und sich berieseln lassen, sondern wirklich im Innersten angesprochen werden."

Das Echo war groß: Rund 250 studentische Arbeiten wurden eingereicht. Als er die Kunstwerke sah, war für Wendt sofort klar: "Die müssen wir in die Öffentlichkeit bringen. Ich kam auf die Idee, eine Ausstellung ins Leben zu rufen. Als inhaltlicher Rahmen boten sich die von den Vereinten Nationen in ihrer Agenda 2030 formulierten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung an. Diese Sustainable Development Goals sind ungeheuer wichtig und doch kennen sie immer noch nur wenige." Darin geht es um die Bekämpfung von Armut und Hunger, um Geschlechtergleichheit, das Recht auf Bildung, um Themenkomplexe wie menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion.

"Ich konzipierte die Ausstellung so, dass sie mobil ist. Sie sollte in einem Raum hier an der JGU starten, sich aus unserer Universität heraus entwickeln und dann an andere Orte transportiert werden können." Neben den Kunstwerken selbst gibt es Text- und Bildbeiträge auf Roll-ups oder Bannern, die in so ziemlich jede Umgebung passen. Zudem bietet eine Hörstation Gelegenheit, noch einmal in die Traumreisen der Vorlesungsreihe zu versinken oder den eingereichten Gedichten zu lauschen. "Ich könnte mir vorstellen, die Schau im Zuge der Initiative der Rhein-Main-Universitäten in Frankfurt und Darmstadt zu zeigen oder sie an andere Partner auszuleihen, etwa innerhalb der europäischen Hochschulallianz FORTHEM."

Soweit war alles klar strukturiert. Zusätzlich nahm sich Graffe der Frage an, wie insbesondere Studierende für die Ausstellung gewonnen werden könnten. Das Konzept der Zukunftslounge entstand, die "Interfluencing Exposition" wurde aufgegriffen, in der die Interaktion zum wesentlichen Aspekt wurde. "Mir geht es darum, wie wir vom Wissen zum Handeln kommen", beschreibt es Graffe. Die Klimakrise ist längst ein Begriff. Doch was lässt sich dagegen tun? Wie können wird Menschen dazu veranlassen, sich konzentriert zu engagieren?


Blick in die Zukunftslounge der Ausstellung "Visions for Climate" (Foto: Stefan F. Sämmer)
Blick in die Zukunftslounge der Ausstellung "Visions for Climate" (Foto: Stefan F. Sämmer)

Außerordentliches Engagement der Studierenden

Teppiche und Gummibäume mussten her, bequeme Sitzgruppen und gedämpfte Musik. "Gegen eine Spende schenken wir auch Getränke aus", so Graffe. "Gerade sind gut zehn Veranstaltungen in den Ausstellungsräumen in Vorbereitung oder Planung – Diskussionsrunden zur Nachhaltigkeit etwa, Filmvorführungen mit anschließenden Gesprächen oder kleine Workshops."

"Timo ist ungeheuer kreativ", so Wendt. "Ich hatte nur die Kunstwerke gesehen und wollte damit an die Öffentlichkeit. Er ist dafür verantwortlich, dass daraus diese Lounge geworden ist. Natürlich bedeutet das alles viel Aufwand, aber schon der Aufbau fand in Windeseile statt. Es ist großartig, wie viele Studierende sich für Themen wie Nachhaltigkeit engagieren und wie viele auch hier in der Schule des Sehens bereit sind, etwas beizutragen. Ohne sie würde das alles nicht funktionieren."

Wendts Kaffeetasse ist geleert, Graffe schaut aufs Handy und erinnert an den nächsten gemeinsamen Termin. Zurück bleibt die Zukunftslounge: voller Kunst und vor allem immer noch voller angeregter Gäste. Im Hinausgehen deutet Wendt noch auf eine Spiegelwand. Dort prangt ein Zitat von Albert Schweitzer, beinahe könnte es ein Motto für "Visions for Climate" sein: "Das Wenige, das du tun kannst, ist viel ..."

Text: Gerd Blase