25. Juni 2020
Das Internationale Studien- und Sprachenkolleg (ISSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) musste besonders schnell auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie reagieren, denn anders als den Rest der Universität trafen die Kontaktsperren Teile des Kollegs mitten im Unterrichtsbetrieb. Dennoch verlief die Umstellung auf Online-Kurse relativ reibungslos, da das Team um ISSK-Leiterin Silke Dosch-Reuting im Vorfeld bereits viel Erfahrung mit digitalen Medien sammeln konnte.
"Wir mussten uns von heute auf morgen umstellen", erzählt Dr. Cornelia Lechner-Walz. Zwar begann das Sommersemester erst im April. Als die Universität also am 24. März wegen der Corona-Pandemie den großen Lockdown erlebte, blieb den meisten zumindest noch ein wenig Zeit, sich mit den veränderten Bedingungen zu arrangieren. "Aber unsere Lehrveranstaltungen waren längst in vollem Gange", so Lechner-Walz. "Wir hatten bereits Ende Februar mit der Studienvorbereitung begonnen." Nun war am Internationalen Studien- und Sprachenkolleg der JGU schnelles Handeln angesagt. "Wir machten uns bei laufendem Betrieb daran, unsere Kurse anzupassen und völlig auf Online-Betrieb umstellen."
Im ISSK laufen viele Fäden zusammen: Hier werden zum einen internationale Studienbewerberinnen und -bewerber unterrichtet. Denn falls ihre Ausbildungsnachweise nicht einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung entsprechen, müssen sie eine Feststellungsprüfung ablegen, um zu ermitteln, ob sie die fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen für ein Studium erfüllen. Das Kolleg bereitet auf diese Prüfung vor. Zudem bietet es Kurse für all je an, die eine deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang absolvieren müssen. Daneben können sowohl Studierende als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JGU eine ganze Reihe an Sprachkursen belegen. Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch, Türkisch, Russisch und Chinesisch stehen genauso auf dem Programm wie studienbegleitende Deutschkurse.
Ansturm auf Sprachkurse
Entsprechend dieser Aufgaben ist das ISSK in drei große Bereiche unterteilt: Fachunterricht, Fremdsprachen und Deutsch als Fremdsprache (DaF). Lechner-Walz gibt Kurse im Fach Biologie. Gemeinsam mit fünf ihrer Kolleginnen berichtet sie, wie das ISSK auf den Lockdown reagierte.
"Als wir hörten, dass die Universität in den Notbetrieb geht, fürchteten wir im ersten Moment, wir würden am ISSK keine Studierenden mehr haben", erzählt Dr. Dorota Piestrak-Demirezen, Bereichskoordinatorin für Deutsch als Fremdsprache. "Doch wir wurden überrascht: Unsere Deutschkurse für ERASMUS-Studierende werden zurzeit sehr gut besucht – und zwar auf allen Stufen und egal, ob sich die Studierenden gerade im Ausland befinden oder in Deutschland. Es scheint, als würden sie die besonderen Umstände nutzen, um ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen."
"Ähnlich sieht es mit unseren Fremdsprachen aus", ergänzt die zuständige Bereichskoordinatorin Anita Gerhard. "Wir können in diesem Semester zwar nur etwa 50 Prozent unserer Kurse anbieten. Außerdem sind wir auf Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch beschränkt. Doch dort haben wir überall einen riesigen Zulauf. In vielen Kursen sind an die 100 Personen angemeldet. Einige Kurse mussten wir sogar teilen."
Das gesamte Programm, ob Sprachunterricht oder Kurse zur Vorbereitung auf die Feststellungsprüfung, läuft ausschließlich online. "Es half uns sehr, dass wir schon vorher mit Internet-Formaten arbeiteten", meint Piestrak-Demirezen. "Vieles war online verfügbar. Darauf konnten wir aufbauen. Außerdem sind wir recht gut organisiert und alle haben prompt reagiert."
Internationalisierung über Online-Angebote
Silke Dosch-Reuting, die Leiterin des ISSK, setzte bereits vor Jahren entsprechende Akzente: So machte sie Online-Unterricht zu einem wichtigen Instrument, um zur Internationalisierung der JGU beizutragen. Unter anderem knüpfte sie gemeinsam mit der Hochschulleitung Verbindungen zu deutschen Auslandsschulen in der ganzen Welt. Schließlich wird dort Deutsch unterrichtet und das Bildungsniveau ist hoch. Entsprechend viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf einen Studienplatz in Deutschland finden sich dort. Diese Schülerinnen und Schüler können – ebenso wie ihre Lehrkräfte – nicht nur auf Online-Kurse des ISSK zugreifen, die zu einem Studium in Mainz hinführen. Die angehenden Studierenden können auch die einschlägigen Prüfungen online ablegen. Zusätzlich wird bereits seit 2018 in Form einer Online-Plattform mit dem Titel "Synergie" daran gearbeitet, die internationale Kommunikation zwischen den Dozierenden zu intensivieren – besonders nachhaltig gestaltet sich die Zusammenarbeit mit chinesischen Schulen: "So gewährleisten wir einen sanften Übergang vom Heimatland nach Deutschland und vor allem in das deutsche Hochschulsystem", erklärt Piestrak-Demirezen. "Dieser gegenseitige Austausch mit Dozierenden aus aller Welt trägt gerade jetzt Früchte."
Dennoch muss sich das Team nun im reinen Online-Unterricht einigen Herausforderungen stellen: "Wir mussten entsprechende Videokonferenz-Tools kennen lernen, um diesen Unterricht weiterzuführen", erklärt Romina Agostino-Huth, Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache. "Ich versuche zum Beispiel, wo es nur geht, die Kommunikation unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu fördern. Sie sollen weiterhin möglichst viele Aufgaben in Kleingruppen lösen." Das geschieht vor allem über die Lernplattform OpenOLAT. "Rund 50 Prozent des Unterrichts läuft als Videokonferenz ab."
"Für uns alle ist es eine große Umstellung", sagt Gerhard. "Einerseits gibt es keine Anwesenheitspflicht in diesem Semester, andererseits ergeben sich durch den Einsatz digitaler Medien viele Möglichkeiten, den Stoff nachzuarbeiten. Beides fördert bei unseren Studierenden das selbstständige Arbeiten." – "Zugleich haben wir aber auch versucht, Strukturen des herkömmlichen Unterrichts beizubehalten", ergänzt Lechner-Walz. "Das erleichtert die Orientierung."
Von Chancen und Schwierigkeiten
"Es ist ein tägliches Lernen", meint Estibaliz Bilbao Gallardo, Lehrkraft und Koordinatorin im Fach Spanisch. "Denn auch wenn wir vorher digital gearbeitet haben, waren unsere Kurse nie 100 Prozent online gedacht. Es ist eine Herausforderung zu schauen, für welche Situation welches Tool passt. Außerdem ist es natürlich entschieden mehr Aufwand für uns. Wir müssen jeden Schritt im Voraus planen und wir haben es nicht mit demselben Maß an Spontaneität zu tun wie im analogen Unterricht. Auch die nonverbale Komponente, gerade in den Sprachen ein ganz wichtiger Faktor, fällt weitgehend weg."
Doch das Team vom ISSK sieht unterm Strich vor allem die positiven Seiten der neuen Situation: "Eine JGU-Professorin unterrichtet ihre Studierenden in Mainz von Neuseeland aus und ich unterrichte sie in Deutsch", erzählt Agostino-Huth. "Studierende und angehende Studierende, die an unseren Kursen teilnehmen, sitzen teils im Ausland, teils in Deutschland. Es macht kaum einen Unterschied." – "Wir nehmen diese Zeit nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance", nimmt Piestrak-Demirezen den Faden auf. Sie ist überzeugt: "Wir werden vieles von dem, was wir jetzt geschaffen haben, beibehalten oder fortführen. Tatsächlich haben wir so gute Erfahrungen mit der Online-Lehre gemacht, dass wir ab Oktober einen reinen DaF-Online-Kurs anbieten, der bis Ende Dezember vom Sprachniveau B1 auf B2 führt. Dies gibt den Studierenden Planungssicherheit in unsicheren Zeiten und ermöglicht uns, die gewonnenen Erfahrung des Online-Betriebs zu nutzen."