Sport-Curriculum für Mädchen in sozial herausfordernden Räumen

17. Oktober 2024

Das Thema "Sport in sozialer Verantwortung" hat ein Seminar von Prof. Dr. Tim Bindel wörtlich genommen: In den vergangenen Semestern haben die Studierenden ein eigens auf Mädchen zugeschnittenes Curriculum für Sportangebote in Grundschulen mit Ganztagsunterricht in sozial herausfordernden Räumen entwickelt. Das Projekt mit hohem Praxisanteil wurde jetzt in Berlin präsentiert.

Das war der Gipfel: Im Juli 2024 reiste das Seminar "Schulsport als lokaler Bündnispartner" von Prof. Dr. Tim Bindel zum Studierenden-Summit von SPORT VERNETZT nach Berlin. In der Hauptstadt stellten die zehn Lehramtsstudierenden des Instituts für Sportwissenschaft der JGU ihr Projekt eines Curriculums mit Sportangeboten speziell für Mädchen an Grundschulen mit Ganztagsunterricht in sozial herausfordernden Räumen vor. Das Ziel: Durch den Sport einen wichtigen "Safe Space" an der Schule bieten, in dem sich Mädchen sportlich ausleben und entwickeln können.


Die Teilnehmenden des Seminars "Schulsport als lokaler Bündnispartner" – zusammen mit Laura Trautmann (2.v.l.), wissenschaftlicher Mitarbeiterin in der Abteilung Sportpädagogik/Sportdidaktik, und Prof. Dr. Tim Bindel (l.) (Foto: Peter Thomas)
Die Teilnehmenden des Seminars "Schulsport als lokaler Bündnispartner" – zusammen mit Laura Trautmann (2.v.l.), wissenschaftlicher Mitarbeiterin in der Abteilung Sportpädagogik/Sportdidaktik, und Prof. Dr. Tim Bindel (l.) (Foto: Peter Thomas)

Unter dem Titel "Schulsport als lokaler Bündnispartner – der Mainzer Weg" präsentierten die angehenden Sportpädagog*innen ihr Projekt in der Humboldt-Universität zu Berlin. "Das war super, wie sich Studierende von verschiedenen Hochschulen beim Summit eingebracht und ausgetauscht haben", freut sich Tim Bindel über das Treffen in der Hauptstadt. "Für unsere Mainzer Studierenden hat das Projekt Relevanz über das Seminar hinaus gewonnen, das geht weit ins persönliche Engagement hinein", zollt der Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik den angehenden Sportpädagoginnen und -pädagogen seinen Respekt

SPORT VERNETZT

Beim Summit war auch der Basketball-Spitzenclub Alba Berlin dabei. Mit diesem größten deutschen Basketballverein arbeitet die Mainzer Sportwissenschaft seit 2023 unter anderem bei der Initiative SPORT VERNETZT zusammen. Ziel des bundesweiten Projekts ist es, Sportangebote vor allem für Kinder, die in sozial herausfordernden Lebensverhältnissen aufwachsen, leichter zugänglich zu machen, erklärt Bindel. Partner von SPORT VERNETZT sind insbesondere Sportvereine, Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen wie die JGU.

Ebenfalls im vergangenen Jahr startete erstmals das Seminar, das künftig fest im Mainzer Lehrplan als Teil des Zertifikats "Sport/sozial" verankert sein soll. "Diese ergänzende Qualifikation parallel zum Master ist eine zeitgemäße, an internationalen Vorbildern orientierte Art des Lernens", betont Bindel. Dem derzeitigen geschäftsführenden Leiter des Instituts für Sportwissenschaft ist die Kontinuität des Seminars wichtig: Der Staffelstab solle von Semester zu Semester weitergegeben werden – um es mit einer Leichtathletik-Metapher auszudrücken. Wenige Tage vor der Fahrt zum Gipfel in Berlin traf sich das Seminar mit dem JGU-Magazin und zog eine positive Zwischenbilanz über das Projekt in der Mainzer Neustadt, das im Mittelpunkt des diesjährigen Seminars stand.


Zukünftig soll das Seminar "Schulsport als lokaler Bündnispartner" fest im Lehrplan des Zertifikats "Sport/sozial" an der JGU verankert werden. (Foto: Peter Thomas)
Zukünftig soll das Seminar "Schulsport als lokaler Bündnispartner" fest im Lehrplan des Zertifikats "Sport/sozial" an der JGU verankert werden. (Foto: Peter Thomas)

Praxis in der Mainzer Neustadt

Im Fokus des Seminars stand zunächst eine Sozialraumanalyse in der Mainzer Neustadt, erklärt Laura Trautmann. Sie begleitet das Projekt als Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Sportpädagogik im Team von Prof. Bindel und promoviert im Themenbereich sportbezogener Sozialpädagogik. Hoch war dabei der Praxisanteil für die drei Gruppen des Seminars: Ein Team organisierte die Kontakte, eines führte Interviews mit Expertinnen und Experten, ein weiteres ging selbst in die Schule und arbeitete mit Schülerinnen zusammen. Der Schwerpunkt auf Sportangebote für Mädchen mit dem Ziel von deren Empowerment stand zu Beginn noch nicht fest, sondern entwickelte sich im Laufe des Seminars fließend.

Das vom Gutenberg Lehrkolleg (GLK) unter dem Titel "Sport-Organisation Sozialraum – Studierende helfen Kindern im Quartier" geförderte Projekt habe den Studierenden sehr gute und intensive Erfahrungen gebracht, berichtet Laura Trautmann. Wichtig dabei sei auch die Kombination der Methoden und Ansätze von Sport- und Sozialpädagogik gewesen. Das bestätigt unter anderem Rena Jochum: "Wir hatten ja als Lehramtsstudierende alle schon Schulerfahrung. Aber dieses positive und praxisnahe Erlebnis hat uns wirklich begeistert."

Notwendigkeit für Offenheit

Ihr Kommilitone Daniel Ulrich bestätigt: "Die Rückmeldungen an uns waren während des Projekts sehr gut. Wir haben gemerkt, dass sich beide Seiten mit dem Projekt wohlgefühlt haben." Ein Selbstläufer ist das allerdings nicht, sondern hängt vom Engagement aller Beteiligten ab. So zollt Alina Kraus dem Kollegium der teilnehmenden Grundschule in Mainz Respekt: "Die Schulleitung und das ganze Team haben sich stark eingebracht, das hat einen konstruktiven und zugleich lockeren Dialog ermöglicht. Unser Ansatz mit einem hohen Maß an Interaktion und Feedback wurde sehr gut aufgenommen." Vom großen Interesse der Schulleitung und einer "sehr guten Dynamik" über das Projekt hinweg berichtet auch Jil Hafner.


Tim Bindel ist seit 2017 Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. (Foto: Peter Thomas)
Tim Bindel ist seit 2017 Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. (Foto: Peter Thomas)

Prof. Tim Bindel zeigt sich ebenfalls sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit: "Dass die Schule so engagiert mitzieht, ist immens wichtig". Er hebt aber auch die Notwendigkeit für diese Offenheit hervor. "Bei Projekten wie Sport in sozialer Verantwortung sind Schulen ja darauf angewiesen, dass sie mit Partnern von außen zusammenarbeiten." Ebenso wichtig waren aber auch Expertise-Interviews. "Diese Gespräche haben wir mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis geführt", berichtet Seminarteilnehmerin Laura Müller.

Durchaus ein wenig stolz sind die Teilnehmenden des Seminars auf das Ergebnis ihrer Arbeit, von dem interessierte Schulen profitieren können: Das Konzept wird veröffentlicht und könnte beispielsweise auf der digitalen Plattform Albathek integriert werden. Diese bietet Materialien, Fortbildungen und Webinare rund um Spiel, Sport und Bewegung an. Zielgruppen sind Sportvereine, aber auch Einrichtungen wie Kitas und Schulen. Das Institut für Sportwissenschaft an der JGU hat mit der Albathek schon vor dem Beginn der Kooperation in SPORT VERNETZT zusammengearbeitet.

Text: Peter Thomas