18. Dezember 2023
Mainz und Dijon: Die Namen der beiden Städte stehen für eine europäische Erfolgsgeschichte – auch und insbesondere, was die Partnerschaft der Universitäten angeht. Schon seit mehr als 30 Jahren gibt es deutsch-französische Doppelstudiengänge. Und doch bleibt die Koordination eine ständige Herausforderung, wie die Leiterin des Dijonbüros, Prof. Dr. Antje Lobin, erklärt. Ein Fokus liegt derzeit auf dem binationalen Lehramtsstudium.
"Die Kooperation mit Dijon ist eine ganz besondere: historisch gewachsen und eingebettet in eine Städte- und eine Regionalpartnerschaft, die bereits sechs Jahrzehnte andauert", sagt Lobin. Seit April ist sie die Partnerschaftsbeauftragte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) für die Zusammenarbeit mit der Université de Bourgogne und zugleich Programmbeauftragte für den Cursus Intégré in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Als Professorin für italienische und französische Sprachwissenschaft war Lobin bereits zuvor in die binationalen Studiengänge eingebunden. Nun ist das Dijonbüro, das bisher am Philosophischen Seminar angesiedelt war, auch organisatorisch unter das Dach des Romanischen Seminars gekommen. "Darüber freue ich mich sehr, denn hier am Seminar fühlen wir uns dieser Partnerschaft und generell der deutsch-französischen Freundschaft in besonderem Maße verpflichtet", betont Lobin.
Für sie persönlich hat sich mit der neuen Funktion ein Kreis geschlossen: Mitte der 1990er-Jahre absolvierte die Linguistin im Rahmen ihres Studiums in Gießen ein Auslandssemester in Dijon. Dort habe sie zum ersten Mal vom integrierten Studiengang gehört, erzählt Lobin: "Ich war beeindruckt und ich hätte mir gewünscht, selbst in einem so gut abstimmten Programm zu studieren."
Einmalige Fächervielfalt
Seit damals hat sich einiges getan. Bislang haben etwa 1.000 Studierende ein deutsch-französisches Doppelstudium in Mainz und Dijon absolviert. Zunächst gab es nur gemeinsame Magister-Studiengänge in den Geistes- und Kulturwissenschaften, im Jahr 2000 kam das Lehramtsstudium hinzu. Einmalig, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich, ist die Vielfalt der möglichen Fächer – von Deutsch, Französisch, Englisch und Komparatistik über Geografie und Geschichte bis zu Philosophie und Schulmusik. Außerdem gibt es inzwischen ein vergleichsweise großes Deutsch-Französisches Doktorandenkolleg.
"Die Etablierung des binationalen Lehramtsstudiums ist eine unserer größten Herausforderungen", sagt Dr. Catherine Dedié. Als Geschäftsführerin des Dijonbüros koordiniert sie seit 2014 die integrierten Studiengänge und ist allgemein für Dijon-Angelegenheiten der JGU zuständig. Beim Bachelor beziehungsweise Master of Education seien die nationalen Spezifika der unterschiedlichen Bildungssysteme noch ausgeprägter als beim Bachelor und Master of Arts, erläutert Dedié. Schließlich achte jedes Land genau auf seine Standards und Vorgaben. "Einerseits ist es ein großer Mehrwert eines binationalen Studiengangs, dass man im Ausland die Perspektive wechselt und etwas anderes macht als zuhause. Andererseits darf es beim Lehramt wiederum nicht so ganz anders sein", sagt Dedié. Und Lobin ergänzt: "Den notwendigen Konsens gilt es immer wieder neu zu erringen. Das ist eine Daueraufgabe, die fordernd ist, aber zugleich viel Freude macht."
Ständig im Austausch
Um sich untereinander abzustimmen, haben beide Universitäten ein großes Netzwerk aufgebaut und sind im ständigen Austausch. Das Zentrum dieses Netzwerks bilden das Dijonbüro in Mainz und das Bureau Mayence in Dijon, jeweils mit einer Programmbeauftragen. Daneben gibt es an den beteiligten Instituten die sogenannten Fachbeauftragten. "Wenn es um Studieninhalte geht, brauchen wir selbstverständlich deren Expertise, und bei strategischen Fragen wird auch die Professorenschaft eingebunden, die für die jeweiligen Studiengänge verantwortlich ist", sagt Lobin. "Es ist immer Teamarbeit. Außerdem entscheiden wir alles im Einklang mit den Verantwortlichen auf französischer Seite."
Umso bedeutender ist es, dass 2019 die erste Studentin aus Mainz ins binationale Referendariat gehen konnte. An diesem Meilenstein war neben den beiden Universitäten auch die Politik beteiligt: auf deutscher Seite das rheinland-pfälzische Bildungsministerium und auf französischer Seite die Académie de Dijon, die Schulbehörde der Region Burgund. Doch nach einer Reform in Frankreich standen die Zeichen zwischenzeitlich wieder auf Anfang. "Wir mussten alles neu konzipieren", erklärt Dedié. "Das ist ein Prozess, der noch andauert." Ziel sei es, das binationale Referendariat zu standardisieren.
Die Lehramtsausbildung Mainz-Dijon ist mit dem binationalen Vorbereitungsdienst heute besser ausgebaut denn je – und einzigartig sowohl in Deutschland als auch in Frankreich. Darauf sind Lobin und Dedié stolz. "Die Partnerschaft zwischen den Universitäten Mainz und Dijon ist immer wieder Ausgangspunkt von Innovationen, die die gesamte Wertschöpfungskette der Bildung betreffen", sagt Lobin. Dass dies möglich sei und ein so breites Angebot zur Verfügung stehe, habe man nicht zuletzt der Unterstützung und Ermutigung durch die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) zu verdanken. Die DFH ist als Netzwerkinstitution dafür zuständig, deutsch-französische Studiengänge zu fördern.
Das Interesse an den integrierten Studiengängen ist sowohl in Mainz als auch in Dijon ungebrochen. "Entgegen dem allgemeinen Trend in den Geistes- und Kulturwissenschaften haben wir stabile Studierendenzahlen", stellt die Programmbeauftragte fest. Aktuell sind an den beiden Universitäten etwa 200 Studierende in deutsch-französische Bachelor- und Masterstudiengänge eingeschrieben.
Fundament der europäischen Hochschulallianz FORTHEM
Diese Konstanz ist auch im europäischen Kontext bedeutsam. Denn die Kooperation Mainz-Dijon versteht sich als Fundament der europäischen Hochschulallianz FORTHEM. Deren Mitglieder, neun Universitäten in neun verschiedenen Ländern, möchten die transnationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung vertiefen. Als Mitinitiatorin des Netzwerks hatte die JGU in den ersten Jahren die Sprecherrolle inne – ein Verdienst des langjährigen Engagements und der großen Erfahrung mit integrierten Studiengängen.
"Wir sind angetrieben vom Geist der deutsch-französischen Freundschaft, die uns sehr am Herzen liegt", sagt Dedié. "Es ist eine starke intrinsische Motivation zu wissen, dass man mit seiner Arbeit etwas zur Völkerverständigung beitragen kann." Lobin verweist in diesem Kontext auf den 2019 unterzeichneten Aachener Vertrag, der die enge Freundschaft zwischen den beiden Staaten als Voraussetzung für eine geeinte und starke Europäische Union hervorhebt. "Der Aachener Vertrag sagt uns in Artikel 10 sehr klar, was wir zu tun haben, nämlich deutsch-französische Exzellenzinstrumente für Forschung, Ausbildung und Berufsbildung schaffen“, führt die Leiterin des Dijonbüros aus. Schließlich seien die Studierenden von heute wichtige zivilgesellschaftliche Akteure von morgen.
Zugleich geht der Blick über den Tellerrand hinaus. Das Programm Mainz-Dijon öffnet sich zunehmend in Richtung Frankophonie, aber auch für Drittländer. Unter anderem ist gerade die Kanada-Kooperation wieder bestätigt worden. Auch der trinationale Masterstudiengang European Studies am Institut für Politikwissenschaft der JGU zeigt, was möglich ist: Die Studierenden beginnen gemeinsam im ersten Semester an der Universität der polnischen Stadt Opole, studieren im zweiten Semester in Mainz und im dritten Semester in Dijon.
"Wir möchten, dass sich unsere Studiengänge weiterentwickeln", sagt Lobin. "Wir müssen regelmäßig unsere Inhalte überprüfen und uns fragen, ob das noch den Bedürfnissen entspricht." Generell freue sie sich über das große Engagement der binational Studierenden und deren Bekenntnis zu Europa. "Dieses gemeinsame Bewusstsein und die gemeinsame Passion durchziehen alle Ebenen der Partnerschaft."
Text: Alexandra Rehn