Digitaler Austausch der Generationen

6. September 2023

Das Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass beleuchtet das JGU-Magazin aktuell einige Schwerpunkte des Zentrums. Der vierte Teil widmet sich dem Projekt "Intergenerational Digital Service Learning" (IDOL), einem Paradebeispiel für das außergewöhnlich starke internationale Engagement des Zentrums.

"Die Idee zu IDOL ist während der Corona-Pandemie entstanden", erzählt Masterstudentin Lea-Joelina Fleck. "Denn in der Krise wurde so richtig deutlich, wie wichtig generationenübergreifendes Lernen ist." Covid-19 schürte Spannungen zwischen Jung und Alt: Auf der einen Seite schienen hilflose, schutzbedürftige Senior*innen zu stehen, auf der anderen Seite standen junge Menschen, denen mit Maßnahmen wie der sozialen Distanzierung einiges abverlangt wurde, die sich auch wirtschaftlich herausgefordert sahen – und das alles in erster Linie zum Wohl der Älteren. Die Pandemie drohte einen Keil zwischen die Generationen zu treiben. "Mit unserem pädagogischen Ansatz des intergenerationellen digitalen Service Learning wollten wir dieses Problem angehen", so Fleck. "Unser Projekt ist in der Lage, die Solidarität zwischen den Generationen zu stärken. Wir zeigen auf, wie wichtig Zusammenarbeit und gemeinsames Lernen sind."

Dabei konzentriert sich der IDOL-Ansatz auf digitale Kanäle. Schließlich fand dort während der Pandemie das Lernen verstärkt statt, gerade auch an den Hochschulen. Zugleich jedoch fehlte vielen das Knowhow, um von dieser Veränderung zu profitieren oder sie gar kreativ mitzugestalten. "Wir vermitteln das Rüstzeug, liefern digitale Materialien und stellen eine Art Werkzeugkasten zur Verfügung, an dem sich Lehrende bedienen können", erläutert Iris Thimm-Netenjakob, die den Bereich Internationales im ZWW verantwortet.

ZWW international gut aufgestellt

Gemeinsam mit ZWW-Leiterin Dr. Beate Hörr und Projekt-Koordinatorin Milena Ivanova riefen sie das Projekt "Intergenerational Digital Service Learning" am Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW) der JGU ins Leben. Am 1. Februar 2022 startete IDOL mit einer Laufzeit von zwei Jahren – allerdings nicht nur an der JGU: "Wir holten fünf Partner mit ins Boot", erzählt Thimm-Netenjakob. "Die Universitat de València in Spanien, die Universität Wien in Österreich, die Folkuniversitetet in Schweden, Momentum in Irland und das European E-Learning Institute in Dänemark sind mit von der Partie." Die Kooperation mit europäischen Partnern ist eine Vorgabe für die Antragsstellung für ein Erasmus+ Projekt.

Diese internationale Zusammenarbeit hebt Thimm-Netenjakob besonders hervor, da sie einiges über den besonderen Charakter des ZWW aussagt: "Vor rund zehn Jahren kam ich ans Zentrum und konnte miterleben, wie wir unseren internationalen Bereich kontinuierlich ausgebaut haben. Vorigen Monat erst haben wir ein weiteres Mal die erfolgreiche International Summer School der JGU für Studierende aus ganz Europa und darüber hinaus angeboten, außerdem werben wir regelmäßig neue Projekte ein." Thimm-Netenjakob nennt als Beispiele das Projekt TeachME, bei dem es um die Entwicklung eines neurodidaktischen Konzepts für Blended-Lerning-basierte Fremsprachenkurse für die Zielgruppe internationale Studierende geht, sowie SMILE, ein weiteres Projekt, an dem das ZWW mit dem Themenschwerpunkt "Social Meaning Impact through Lifelong Learning Universities in Europe" beteiligt ist. Auch in der europäischen Universitätsallianz FORTHEM, in der die JGU mit acht weiteren europäischen Hochschulen kooperiert, spielt wissenschaftliche Weiterbildung als "University Lifelong Learning" eine Rolle. Das ZWW koordiniert federführend diese Aktivitäten für die gesamte Allianz und hat eine entsprechende Initiative entlang aller 50 europäischen Universitätsallianzen gestartet – ein echtes Mammutprojekt. All diese Vorhaben werden – wie auch IDOL – über das Erasmus+ Programm von der Europäischen Union gefördert.

"Wenn wir merken, dass die Zusammenarbeit mit einem internationalen Partner gut funktioniert, intensivieren wir die Kooperation", so Thimm-Netenjakob. Vor allem ZWW-Leiterin Dr. Beate Hörr sei in diesem Sektor sehr engagiert. "Wir werden ständig internationaler, was nicht unbedingt typisch ist für universitäre Weiterbildungszentren. Wir haben hier ein ganz klares Alleinstellungsmerkmal", betont Thimm-Netenjakob.

Projekt als Pool innovativer Ansätze

IDOL vereint eine ganze Reihe innovativer Ansätze. So nimmt das Projekt Service Learning in den Blick, also das Lernen jenseits fachspezifischer und curricularer Zusammenhänge, in dem bürgerschaftliches Engagement zum Tragen kommt. "Service Learning dient dazu, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen", erläutert Fleck. "Wir koppeln es mit der Idee des generationenübergreifenden Lernens. Außerdem fügen wir den Aspekt der Tandem-Lehre hinzu: Zwei Lehrkräfte ergänzen sich, oft auch über Fächergrenzen hinaus." Beide unterstützen sich gegenseitig und bringen ihre jeweiligen Stärken ein. Im Bereich dieser Lehrmethode gilt die JGU als führend.

"Unser Projekt begann damit, dass wir Interviews mit Lehrkräften führten, die bereits über Jahre Erfahrungen mit Service Learning sammeln konnten", erinnert sich Fleck. "Inhaltlich ist das Projekt von großem Interesse für das ZWW-Programm 'Studieren 50 Plus', das sich speziell an Seniorinnen und Senioren wendet. Den generationenübergreifenden und den digitalen Aspekt behalten wir dabei immer im Auge." Ähnliches geschieht bei den Kooperationspartnern, mit denen sich das ZWW-Team in monatlichen Onlinetreffen abstimmt und auf Konferenzen trifft.

Auf dieser Grundlage der Interviews entstand ein erstes Handbuch. "Es enthält verschiedenste Szenarien, wie man unterrichten kann", so Fleck. Lehrkräfte können sich am "Praktischen Leitfaden für intergenerationelles digitales Service Learning" orientieren. "Dieses Best-Practice-Kompendium richtet sich an Akteurinnen und Akteure in der Hochschulpädagogik und im Hochschulmanagement. Wir schaffen Grundlagen und stellen Ansätze vor. Es ist schwierig, bei solch einem komplexen Thema feste Lehrpläne vorzugeben. Aber hier lassen sich Beispiele und Formate herauspicken, die auf verschiedenste Situationen passen."

In der Folge werden die Ergebnisse international in der Praxis erprobt: Studierende, Lehrende und Praxispartner*innen sollen sich treffen. Unter anderem findet ein sogenannter Hackathon statt, ein Workshop, in dem alle Beteiligten vereint ein spezifisches gesellschaftliches Problem bearbeiten werden.

Handbücher und Toolkit allgemein zugänglich

Der nächste Schritt war ein "Toolkit zu digitalem Service Learning" mit praktischen Anleitungen und digitalen Werkzeugen zur Umsetzung von E-Service-Learning. Abschließend wird ein "Hackathon-Handbuch zu intergenerationalem und digitalem Service Learning" erscheinen. Hier erläutert das IDOL-Team ausführlich sein Konzept des Hackathons und wie es sich im Sinne des Projekts nutzen lässt.

"Wir haben seit Beginn von IDOL viel gelernt", resümiert Fleck. "Gerade der Input seitens unserer internationalen Partnern hat uns sehr bereichert und neue Aspekte aufgezeigt. Wir konnten auch viele Dinge ausprobieren. Mit unserem Projekt haben wir Themen zur Sprache gebracht, die für viele noch völliges Neuland sind. Wir hoffen, dass wir sie bekannter machen können. Wir zeigen Potenziale auf, die im digitalen Service Learning, in der Tandem-Lehre und im generationenübergreifenden Austausch stecken." Diese Potenziale sollten stärker ausgeschöpft werden, da ist sich das gesamte IDOL-Team einig. Handbücher und Toolkit sind digital allgemein zugänglich. Sie warten auf neugierige Tester und Probandinnen.

Text: Gerd Blase