Ein neues Seminarzentrum und eine große Jahrestagung zum Geburtstag

12. September 2023

Das Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) feiert 2023 seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass beleuchtet das JGU-Magazin in einer Artikelreihe einige Schwerpunkte des Zentrums. Im letzten Teil spaziert ZWW-Leiterin Dr. Beate Hörr zum neuen Seminarzentrum ihrer Einrichtung und denkt über die großen Themen der Weiterbildung nach.

Zum Jubiläum wird es zumindest eine gravierende Veränderung geben: Das ZWW bekommt ein neues, modernes Seminarzentrum. Die Büros der rund zwei Dutzend festen Mitarbeiter*innen des Zentrums liegen seit dessen Bestehen und auch weiterhin in einem Seitenflügel jener alten Flakkaserne, die nach der Wiedergründung der JGU im Jahr 1946 als Keimzelle für die aufstrebende junge Universität diente. Hier, im Forum universitatis, sitzt auch die Leiterin des ZWW, Dr. Beate Hörr – wenn sie denn mal sitzt: In der eben ausgelaufenen Morgenbesprechung stellte sie unter anderem die Weichen für eine Dienstreise nach Shanghai, und auch sonst stehen wieder mal viele Aktivitäten an. Ein weiteres Interview zum 50-jährigen Bestehen des ZWW zählt da eher als kleinerer Programmpunkt, doch selbst der führt Hörr weg von ihrem Schreibtisch und hinaus zu einem Termin auf dem Gutenberg-Campus.

"Einer unserer Seminarräume befindet sich in der Zentralmensa", erzählt sie mit einer Geste hin zum anderen Ende des Universitätsgeländes. Viele Veranstaltungen aus dem umfangreichen Programm von Studieren 50 Plus finden im Alten Musiksaal des Forum universitatis statt oder nebenan in der Alten Mensa. "Wir haben sogar in einer alten Kegelbahn geeignete Räumlichkeiten aufgetan", berichtet Hörr, während sie den Innenhof des Forums überquert und an der Universitätsbibliothek vorbei in Richtung Philosophicum läuft. "Im Moment ist unser Seminarbetrieb über den gesamten Campus verteilt." Dass dies keine ideale Situation für das ZWW darstellt, versteht sich von selbst.

DGWF-Tagung zu "Weiterbildung 2030"

Die Lösung taucht auf, als Hörr vor der Hochschule für Musik in den Johann-Friedrich-von-Pfeiffer-Weg einbiegt: An dessen Ende ragt das frisch errichtete Stiftungshaus auf. "Bauherr ist die Stiftung Mainzer Universitätsfonds, die uns die beiden unteren Stockwerke vermietet. Dort stehen sieben Seminarräume zur Verfügung. Wir werden sie nicht allein nutzen, sondern auch an Externe untervermieten, soweit Kapazitäten frei sind. Aber erst mal sind wir erleichtert, dass wir dieses ewige Raum-Hopping los sind."

Das Jubiläum bringt nicht nur neue Räume: Das ZWW richtet anlässlich seines runden Geburtstags die diesjährige Tagung der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium e.V. (DGWF) aus. Hier trifft sich alles, was in der Branche Rang und Namen hat. "Die Hochschulrektorenkonferenz wird vertreten sein", kündigt Hörr an. "Wir erwarten unter anderem Vertreter*innen des Deutschen Zentrums für Hochschulforschung und -entwicklung, des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V., eine Videobotschaft der Bundesministerin für Bildung und Forschung sowie Vertreter*innen anderer Hochschultypen wie etwa der Dualen Hochschule Baden-Württemberg." Aus der Schar der Gäste greift Hörr den Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Andrä Wolter heraus. "Er ist eine wichtige Referenzgröße für uns in der Forschung zur wissenschaftlichen Weiterbildung und ein 'Hansdampf in allen Gassen' auf unserem Gebiet." Insgesamt liegen aktuell 185 Anmeldungen vor.

Das Thema der DGWF-Jahrestagung ist mit "Weiterbildung 2030: Digitalisierung und Digitalität sowie gesellschaftliche Transformationsprozesse als Motor und Medium?" recht weit gefasst. "Das erlaubt uns, möglichst viele Aspekte einzubeziehen", erklärt Hörr. Es wird unter anderem darum gehen, wie die Corona-Pandemie verschiedenste Bereiche der Weiterbildung beeinflusst hat: Die Digitalisierung ist rasant vorangeschritten. Neue Formate und Formen der Wissensvermittlung sind entstanden – nicht zuletzt auch am Mainzer ZWW. Mit diesen Neuentwicklungen sind auch die Anforderungen ans Lehrpersonal gestiegen, Weiterbildung hat ein noch größeres Gewicht bekommen.

Vorausschauen statt hinterherhinken

Die Vorausschau auf die "Weiterbildung 2030" ist Hörr grundsätzlich ein besonderes Anliegen: "Wir müssen die Zukunft im Blick behalten und klug vorausplanen. Es bringt nichts, wenn wir der Entwicklung hinterherhinken. Wir erleben es im Moment bei Themen wie dem Fachkräfte- und dem Lehrermangel: Beides wurde immer wieder prognostiziert, aber niemand entwickelte ein weit reichendes Konzept, um dem entgegenzuwirken. Beim ZWW betreiben wir intensiv Themen-Scouting, um unserer Zeit möglichst voraus zu sein. Wir entwickeln jetzt, was Lehrkräfte in zwei, drei Jahren brauchen werden. Wir wollen ihnen helfen, immer auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Das gelingt uns manchmal besser als vielen anderen, weil wir flexibel sind. Bis zum Beispiel ein neuer Studiengang entsteht, dauert es seine Zeit, aber mit unseren flexiblen Weiterbildungsformaten können wir sehr schnell Angebote parat haben."

Wie jedes Jahr werden bei der Tagung privatwirtschaftlich orientierte auf öffentlich-rechtliche Anbieter treffen. "Dieses Spannungsfeld begleitet uns ständig in der Weiterbildung", konstatiert Hörr. In ihrem eigentlichen Betrieb stehen Hochschulen nicht im direkten Wettbewerb mit privaten Anbietern, ihre Studiengänge werden staatlich finanziert. "Das ZWW dagegen steht im Wettbewerb mit Privaten. Wir müssen schauen, dass unser Weiterbildungsangebot sich finanziell trägt, ob über Gebühren der Teilnehmenden oder im Rahmen von Weiterbildungsprojekten über eingeworbene Drittmittel."

Dabei sieht Hörr eine deutliche Kluft, was die Klientel privater und öffentlicher Anbieter angeht: "Die Privaten überlassen uns die weniger finanzkräftigen Gruppen wie etwa Sozialpädagog*innen und freiberuflich tätige Übersetzer*innen. Sie konzentrieren sich auf die Gebiete, die das große Geld bringen. Wir am ZWW sehen es als unseren gesetzlichen Auftrag und unsere Pflicht an, allen eine Teilhabe an wissenschaftlicher Weiterbildung zu ermöglichen, unabhängig vom Geldbeutel. An der JGU sind wir Teil einer Volluniversität und fühlen uns ihren Bildungsidealen verpflichtet."

ZWW unter den Big 5

Grundsätzlich geht es Hörr darum, den Menschen in einer immer komplexeren Welt Orientierung zu vermitteln. "Wir wollen ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um in einer zunehmend digital geprägten Gesellschaft klarzukommen: Es ist zum Beispiel kein Problem, mit einer Suchmaschine Tausende Treffer zu irgendeinem Thema zu bekommen. Aber welche Ergebnisse sind gut, welche schlecht? Das Netz und die Künstliche Intelligenz sind gegenüber Qualitätsmerkmalen schmerzfrei, gerade deswegen müssen wir bei den Menschen die Fähigkeit zur kritischen Reflexion schärfen. Das gehört zum Bildungsauftrag der Universität."

Dieses Kredo hat sich bewährt: Zum Jubiläum kann das ZWW auf 50 Jahre erfolgreiche Arbeit zurückschauen. "Wir zählen zu den ältesten und größten universitären Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland", stellt Hörr fest. "Im Bereich Seniorenstudium werden wir mit unserem Studieren-50-Plus-Programm nur noch von der Frankfurter Goethe-Universität mit ihrer Universität des 3. Lebensalters übertroffen. Wir sind so stark international unterwegs wie kaum ein anderer. Und wenn ich mir die U15, die 15 großen deutschen Universitäten, anschaue, dann schaffen wir es dort mit dem ZWW unter die Big 5 der Bildungseinrichtungen."

Dies wird gefeiert: mit der Jahrestagung der DGWF und beim Festakt zur Eröffnung des Stiftungshauses am 15. September. Hörr freut sich vor allem über das neue Seminarzentrum – stellt aber am Ende des Gesprächs schnell noch klar: "Das heißt jetzt nicht, dass wir all' die anderen Räumlichkeiten aufgeben. Wer weiß, was wir davon in Zukunft noch brauchen werden ..."

Text: Gerd Blase