"FORTHEM bringt Europa in unsere Hochschule"

2. Mai 2024

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz gehörte 2019 zu den Gründungsmitgliedern der europäischen Hochschulallianz FORTHEM. Mittlerweile läuft die zweite Förderphase des EU-Projekts. Die JGU setzt erneut starke Impulse in der Allianz, deren Strahlkraft weit über die beteiligten Hochschulen hinausreicht. Im Gespräch mit dem JGU-Magazin ordnen Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch, Prof. Dr. Stephan Jolie, Vizepräsident für Studium und Lehre der JGU sowie Initiator von FORTHEM, und Prof. Dr. Eckhard Thines, Mitglied der FORTHEM Coordination Commission, die Entwicklung ein.

 

JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch (Mitte), Prof. Dr. Stephan Jolie (l.), Vizepräsident für Studium und Lehre an der JGU, sowie Prof. Dr. Eckhard Thines (r.), Dekan des Fachbereichs Biologie an der JGU und Mitglied der FORTHEM Coordination Commission, beim ersten Presidency Meeting der FORTHEM Alliance an der Universität Jyväskylä (Foto/©: University of Jyväskylä)
JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch (Mitte), Prof. Dr. Stephan Jolie (l.), Vizepräsident für Studium und Lehre an der JGU, sowie Prof. Dr. Eckhard Thines (r.), Dekan des Fachbereichs Biologie an der JGU und Mitglied der FORTHEM Coordination Commission, beim ersten Presidency Meeting der FORTHEM Alliance an der Universität Jyväskylä (Foto/©: University of Jyväskylä)

 

Wie blicken Sie auf den Start von FORTHEM im Jahr 2019 zurück?

Jolie: Begonnen hat das Projekt eigentlich schon zwei Jahre früher. Denn der Zündfunke war die leidenschaftliche europäische Rede, die der französische Präsident Emmanuel Macron im Jahr 2017 an der Sorbonne hielt. Sein Ziel: ein bildungspolitisches Netzwerk auf unserem Kontinent zu etablieren und die europäische Idee zu den Menschen zu bringen in einer Zeit, in der wir zunehmend Nationalismus erleben. Damals war klar: Das ist etwas, das wir auf jeden Fall weiterdenken sollten! Und das haben wir getan: Als die Ausschreibung für FORTHEM 2018 kam, war die JGU von Anfang erfolgreich mit dabei. Seit 2019 hat die Allianz immens viel dafür getan, Europa in unsere Hochschule zu bringen – und im Gegenzug das Zusammenwachsen der beteiligten Hochschulen zu fördern.

Wo steht FORTHEM heute?

Thines: Hier ist eine lebendige Partnerschaft auf vielen verschiedenen Ebenen entstanden, die weiterhin wächst und sich kontinuierlich entwickelt. Das macht FORTHEM so wertvoll: Es gibt nicht nur gemeinsame Forschungsprojekte und Studiengänge. Sondern neben Studierenden, Doktoranden, Postdocs und Lehrenden besuchen auch Mitarbeitende aus der Verwaltung die Partneruniversitäten. Das ist ein wirklich universeller Austausch. Ganz oben auf der Agenda von FORTHEM steht, einen europäischen Campus zu schaffen und die Kompetenzen der beteiligten Menschen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stärken. Ich denke, dass die Allianz hier sehr große Fortschritte mit langfristiger Wirkung macht. Denn die Strukturen, die wir gemeinsam aufbauen, werden hoffentlich bleiben. So sieht Nachhaltigkeit aus.

 

JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch betont: "FORTHEM ist kein exklusives Netzwerk, sondern ein Netzwerk, in das man andere Partner hineinnehmen kann und soll." (Foto: Peter Pulkowski)
JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch betont: "FORTHEM ist kein exklusives Netzwerk, sondern ein Netzwerk, in das man andere Partner hineinnehmen kann und soll." (Foto: Peter Pulkowski)

 

Steht FORTHEM für eine neue Dimension der Internationalisierung der JGU?

Krausch: Die federführende Rolle der JGU in der Allianz hat sicher eine neue Qualität der europäischen Zusammenarbeit nach Mainz gebracht. Aber ganz neu ist der internationale Ansatz nicht. Die Arbeit unserer Universität ist schon lange vom Erasmus-Gedanken geprägt. Und bei der Vorbereitung von FORTHEM haben wir dementsprechend auch intensiv mit unserem engsten Partner, der Université de Bourgogne in Dijon, gesprochen. Dass bald auch die Uniwersytet Opolski in Polen dazugekommen ist, steht für die gute Tradition des "Weimarer Dreiecks", einer starken Achse der europäischen Kooperation und des Austauschs. Mittlerweile zählt die Allianz neun Partner in ganz Europa und sie erfüllt das Konzept des Studierens und Forschens über Ländergrenzen hinweg mit Leben.

Worauf freuen Sie sich im fünften Jahr von FORTHEM persönlich besonders?

Jolie: Im Juni 2024 wird die erste Kohorte des European Joint Masters "Transnational German Studies" ihre Abschlussarbeiten an der FORTHEM-Partneruniversität in Palermo verteidigen. Darauf bin ich unglaublich gespannt. Dieser Studiengang mit vier Semestern an vier europäischen Hochschulen hat einen unglaublichen Esprit. Diesmal haben 24 Studierende aus acht Nationen teilgenommen. Ich freue mich schon auf den Austausch mit der nächsten Kohorte der internationalen Masterstudierenden. Ganz wichtig bei solchen Projekten ist für mich: Man lernt viel über andere Menschen, Länder, Hochschulen – aber auch viel über die eigene Universität und über sich selbst.

 

Das von der Europäischen Kommission geförderte Hochschulnetzwerk FORTHEM wurde 2019 gegründet. Zunächst gehörten der Allianz sieben Partneruniversitäten an. 2022 hat der zweite Förderzeitraum begonnen, mit nun insgesamt neun Hochschulen. Sie stehen für fast 230.000 Studierende, rund 2.300 Promovierende, knapp 16.000 Wissenschaftler*innen sowie mehr als 14.000 Verwaltungsmitarbeiter*innen.

 

Thines: Ein Höhepunkt im Frühjahr ist für mich immer das Presidency Meeting der beteiligten Universitäten. Ich freue mich auf jeden dieser Termine. Denn über die Jahre sind die beteiligten Hochschulleitungen wirklich zusammengewachsen. Diese Treffen sind für die Entwicklung von FORTHEM immens wichtig. Denn auch in der digitalen Ära hat es eine ganz andere Qualität, wenn man sich persönlich gegenübersitzt im Vergleich zu einer Videokonferenz. Besonders freue ich mich auf meinen anstehenden zweiwöchigen Lehraufenthalt in Dijon, der mich sehr erfüllt. Ich weiß, dass die Vorlesung in Biotechnologie in einem so komprimierten Zeitraum intensiv ist. Aber die Studierenden schätzen das Angebot und spiegeln das auch zurück.

Wie erleben Sie die Internationalisierung an unserer Universität im Alltag?

Thines: Der Horizont hat sich merklich geweitet. Als ich vor zehn Jahren in der Biologie angefangen habe, gab es nur wenige studentische Incomings aus dem Ausland. Heute wird Internationalisierung aktiv gelebt. Das hat auch viel mit Projekten wie FORTHEM zu tun. Sie haben dazu beigetragen, der JGU einen anderen Spirit zu geben. In der Praxis heißt das zum Beispiel, dass bei uns Englisch zur Laborsprache geworden ist. Das macht den Austausch der Studierenden und auch der Lehrenden viel einfacher. Es spiegelt zudem die Realität späterer Arbeitsfelder in den Naturwissenschaften wider. Firmen werden immer internationaler, der entsprechende Sprachumgang ist für die Absolventinnen und Absolventen essenziell.

 

JGU-Vizepräsident Prof. Dr. Stephan Jolie (l.) und Prof. Dr. Eckhard Thines, Mitglied der FORTHEM Coordination Commission, freuen sich auf das fünfte Jahr der FORTHEM-Allianz. (Foto: Peter Thomas)
JGU-Vizepräsident Prof. Dr. Stephan Jolie (l.) und Prof. Dr. Eckhard Thines, Mitglied der FORTHEM Coordination Commission, freuen sich auf das fünfte Jahr der FORTHEM-Allianz. (Foto: Peter Thomas)

 

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Organisation von FORTHEM gemacht?

Jolie: Die Initiative für die Allianz ging seinerzeit sehr deutlich von der JGU aus, mit Dijon als starkem Partner. Weil daher die Hauptverantwortung in Mainz lag, haben wir auch die Koordination gegenüber Brüssel übernommen. Als Sprecher der Allianz war ich hier maßgeblich eingebunden. Unsere Universität war schon in verschiedene europäische Projekte eingebunden, es gab auch strategische Partnerschaften auf EU-Ebene. Dennoch verlangte die konkrete Umsetzung der FORTHEM-Allianz einen intensiven Dialog, viel Werben und viel gegenseitiges Lernen. Für uns gehörte dazu beispielsweise das Verständnis, dass eine Hochschulleitung in einem anderen Land nicht immer genau die gleiche Struktur und Organisation hat wie in Deutschland. Persönlich fand ich es sehr schade, dass wir am Anfang keine Partnerhochschule in Südosteuropa für die Allianz gefunden haben. Umso glücklicher bin ich, dass dies jetzt in der zweiten Runde geklappt hat und die Lucian-Blaga-Universität mit dabei ist.

Offenheit zeichnet das Konzept von FORTHEM aus. Wie spiegelt sich das in der Umsetzung an der JGU?

Krausch: Prägend ist zunächst die Vielfalt der Formen transnationaler Zusammenarbeit, die von der Allianz gefördert werden. FORTHEM ist kein exklusives Netzwerk, sondern ein Netzwerk, in das man andere Partner hineinnehmen kann und soll. Das zeigt sich auch in den Partnerschaften, die unsere Universität in Stadt und Region hinein knüpft. Zudem beschränken wir den Austausch bewusst nicht auf Lehrende und Studierende. Die Verwaltung der beteiligten Hochschulen spielt eine wichtige Rolle, wir möchten die Mitarbeitenden aus diesem Bereich mit nach Europa nehmen. Entsprechende Angebote des Austauschs reichen von Jobsharing bis zur Weiterbildung. In den Verwaltungseinheiten der JGU werden Mitarbeitende dafür direkt angesprochen.

Interview: Peter Thomas